Ein Mähdrescher erntet Winterweizen im Gemeindegebiet von Witzelsdorf: Wissenschafter haben eine Möglichkeit entwickelt, das Risikomanagement in diesem Zusammenhang zu verbessern.

Foto: APA / Harald Schneider

Wie kaum ein anderer Wirtschaftsbereich ist die Agrarbranche vom Wetter abhängig. Frost oder Trockenheit können Pflanzen zusetzen, Ertragseinbußen verursachen und im schlimmsten Fall sogar zum totalen Ernteausfall führen. Ergänzend zum oft generationsweise weitergegebenen Erfahrungswissen setzen Landwirte deshalb heute auf Wetterdienste, private Messstationen sowie Softwaretools. Eines davon wurde an der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku) entwickelt. Aris (Agricultural Risk Information System) ist ein Informationssystem, das auf Grundlage aktueller Wetterbedingungen Risiken für ausgewählte landwirtschaftliche Nutzpflanzen berechnet und visuell anzeigt. Außerdem bietet es eine zehntägige Vorhersage der Risikoentwicklung.

Der Nutzer von Aris kann auswählen, für welche Pflanze er sich interessiert. Aktuell stehen Mais, Sommergerste, Winterweizen, Zuckerrübe sowie bloße Grünflächen zur Auswahl. Mehr als ein Dutzend Risikoindikatoren kann dann angewandt werden: Darunter sind Bodenerosion, Frostschäden, Niederschlagshäufigkeit, Schädlingsbefall, Trockenheitsintensität oder Hitzestress. Der Betrachtungszeitraum lässt sich auf einen beliebigen Tag von Jahresbeginn bis zu zehn Tage in der Zukunft einschränken. Die Anzeige erfolgt auf einer virtuellen Österreichkarte. Der Anwender kann in jede Region hineinzoomen und bekommt die gewünschten Informationen farblich angezeigt.

Beim Risikofaktor mit dem komplizierten Namen "pflanzenverfügbares Bodenwasser" wird die verfügbare Wassermenge in Relation zur Speicherkapazität des Bodens angezeigt. Rot bedeutet dabei kein verfügbares Wasser, Blau bedeutet einen Wert zwischen 70 und 100 Prozent.

Einfache Lesbarkeit der Resultate war ein Anliegen bei der Programmierung, denn die jeweilige Berechnungsmethode ist nicht immer sofort einsichtig. So basiert etwa der Wert für die Trockenintensität auf der Bodenwasserbilanz in einer Tiefe von 0 bis 40 cm für Grünland und 0 bis 100 cm bei Ackerfeldfrüchten. Außerdem gibt er nicht die absolute Trockenheit an, sondern die Relation zum langjährigen Durchschnitt am jeweiligen Ort.

Digitale Bodenkarte

Die Daten für Aris kommen aus der vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) betriebenen digitalen Bodenkarte eBOD, die sämtliche landwirtschaftlichen Böden in Österreich erfasst. Andererseits werden tagesaktuelle und prognostizierte Wetterdaten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) eingepflegt, einer nachgereihten Dienststelle des Wissenschaftsministeriums. Und schließlich benötigt man genaue Informationen über die Nutzpflanzen, sagt Josef Eitzinger, Projektleiter und Professor am Institut für Meteorologie an der Boku. "Wenn man für bestimmte Nutzpflanzen Risiken darstellen will, muss man wissen, wie sie reagieren, zum Beispiel auf Extremtemperaturen, auf Trocken- oder Hitzestress", weiß der Wissenschafter.

Wissen über den Entwicklungsstand der Pflanze ist hilfreich. So kann man Grenzwerte, innerhalb derer Pflanzen in den verschiedenen Wachstumsstadien empfindlich sind, eruieren. Allerdings müssen Hageldaten, Schadensdaten von Versicherungen oder die Ertragsdaten der Landwirte damit verknüpft werden: "Man simuliert die Ertragseinbußen für jede Pflanze und jedes Risiko und vergleicht das Ergebnis dann mit den real gemessenen Erträgen", erklärt Eitzinger. Das Resultat sei ein "System, das es europaweit in dieser Auflösung nicht gibt", wie Eitzinger meint. Finanziert wurde die aufwendige Entwicklung im Rahmen zweier vom österreichischen Klima- und Energiefonds geförderten Forschungsprojekte.

Alternative zu teuren Pflanzenschutzwarndiensten

Landwirte können mit dem Tool notwendige Aktivitäten planen, erkennen, ob zusätzliche Bewässerung, Frostschutz oder andere Maßnahmen notwendig sind. Auch für die Landwirtschaftskammern ist es interessant, die derzeit teure Pflanzenschutzwarndienste von privaten Anbietern verwenden.

Einschränkend wirkt die geografische Auflösung des Tools von einem Quadratkilometer pro Gitterzelle. Da die meisten Felder kleiner sind und es auch innerhalb eines Feldes nennenswerte Unterschiede der Bodenbeschaffenheit geben kann, sind hinsichtlich der Genauigkeit teilweise Abstriche hinzunehmen. Dennoch: "Die Kombination aus räumlicher und zeitlicher Skala ist für unterschiedliche Anwendungen wichtig", sagt Eitzinger.

Beispielsweise lassen sich aus der Intensität und Dauer von Trockenperioden Schlüsse auf Ertragseinbußen ziehen. In Verbindung mit Daten aus anderen Ländern ist es in der Folge auch möglich, die Entwicklung globaler Marktpreise einzelner Pflanzen zu prognostizieren. (Raimund Lang, 7.9.2018)