Der Großteil des Kunststoffmülls treibt als winzige Partikel durch die Ozeane. Das "Ocean Cleanup"-Projekt will zeigen, dass sich diese zumindest oberflächennahe abschöpfen lassen.
Foto: APA/AFP/Ocean Cleanup

Wien/San Francisco – Kunststoffmüll in den Weltmeeren ist mittlerweile eine globales Umweltkatastrophe, deren ökologischen Folgen sich noch kaum absehen lassen. Problematisch sind dabei vor allem jene winzigen Teilchen, in die das Plastik im Laufe der Zeit zerfällt, von vielen Tierarten aufgenommen werden und über die Nahrungskette auch auf unseren Tellern landen können. Der Dynamik der Ozeane ist es zu verdanken, dass sich einige dieser Abfälle in riesigen Strudeln sammeln. Der bekannteste darunter ist der Great Pacific Garbage Patch, eine 1997 erstmals beschriebene Verdichtung von Kunststoffmüll im Nordpazifik, für die derzeit rund eine Million Teilchen pro Quadratkilometer angenommen werden.

Dieser gigantische "Abfallhaufen" soll nun zumindest teilweise abgetragen werden: Am Samstag startet dafür das groß angelegte "Ocean Cleanup"-Projekt. Vom Hafen Alameda nahe San Francisco (USA) startet ein Schiff mit dem ersten großen Plastikfänger in Richtung des Great Pacific Garbage Patch, dem so ein Teil des Plastiks entzogen werden soll. Mitglied des wissenschaftlichen Beirats ist der Meeresbiologe Gerhard Herndl von der Universität Wien.

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Initiator des "Ocean Cleanups" ist Boyan Slat aus den Niederlanden.
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Das medienwirksame Gesicht zu der Initiative ist der 24-jährige Niederländer Boyan Slat. Ihm ist es in den vergangenen Jahren gelungen, ein laut der Projekt-Website mittlerweile rund 70 Personen umfassendes Team zu formen, das sich der Befreiung der Ozeane vom stetig anwachsenden Plastikmüll widmet.

"System 001" beginnt seine Arbeit

Am Samstag beginnt man mit der Umsetzung: Ein insgesamt rund 600 Meter langes Kunststoffrohr bildet das Herzstück der u-förmigen Anlage mit rund drei Metern Tiefgang. Für seinen Härtetest im nördlichen Pazifik zwischen Kalifornien und Hawaii muss das "System 001" noch rund 500 Kilometer in das Gebiet geschleppt werden, wo einer der fünf größten Strömungswirbel der Erde dafür sorgt, dass dort Unmengen an Plastik kreisen. Zukünftig wollen Slat und sein Team mit bis zu 60 solcher Anlagen die Meere von Kunststoffmüll, der auf und knapp unter der Oberfläche schwimmt, befreien. Schiffe sollen das aufgelesene Treibgut dann zum Recycling an Land bringen, so der Plan.

Ob die Methode tatsächlich erfolgreich ist, werden die nächsten Wochen zeigen.
Foto: Ocean Cleanup

Für Herndl, der am Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie der Universität Wien forscht und im Mai auch eine neue interdisziplinäre Forschungsplattform mit dem Titel "Plenty – Plastics in the Environment and Society" mitinitiiert hat, ist der Ansatz ein wichtiger Beitrag, um der Verschmutzung entgegenzuwirken. Ein zentraler Teil sei aber die schon jetzt vielfach erfolgreiche Bewusstseinsbildung durch das auch medial ambitioniert aufbereitete Vorhaben. "Boyan Slat hat sicher dazu beigetragen, dass sich ein Problembewusstsein in der Bevölkerung entwickelt", so der Wiener Forscher.

Auswirkungen auf den Lebensraum Ozean

Herndl ist seit zwei Jahren Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Vorhabens und deckt dort den ökologischen Teil ab. Davor waren vor allem Techniker involviert, so der Forscher, dessen Aufgabe es ist, über mögliche Auswirkungen des Projekts auf den Lebensraum Ozean zu informieren. "Ich war bei der Entwicklung des Floßes beratend tätig", sagte Herndl.

Der Great Pacific Garbage Patch selbst ist entgegen manch vermittelter Bilder keine kompakte riesige Müllinsel, die sich mehr oder weniger abschöpfen lasse. Mit dem deutschen Forschungsschiff "Sonne" ist Herndl im vergangenen Jahr durch den Kreiselstrom gefahren. Dort finde sich zwar immer wieder gehäuft Plastik, eine mehr oder weniger zusammenhängende Kunststoffansammlung sei es jedoch bei weitem nicht. Es gibt aber mehr als genug einzusammeln, denn Experten schätzen, das alleine dort rund 1,8 Billionen Plastikteile treiben.

Herzstück der Anlage ist ein insgesamt 600 Meter langes Kunststoffrohr mit rund drei Metern Tiefgang.
Foto: Ocean Cleanup

Eingesammelte Meeresbewohner

Jetzt habe man ein "gut durchdachtes Konzept" mit gegen den Strom ausgerichteten, passiv treibenden Müllsammel-Barrieren am Start, dessen tatsächliche Effizienz sich allerdings noch nicht abschätzen lasse. Eine breitere Beeinträchtigung von Lebewesen durch das "System 001" werde es nicht geben, zeigte sich Herndl überzeugt. Es gebe nur wenige Organismen, die fast nur an der Wasseroberfläche treiben.

Diese Meeresschnecken, Quallen oder tierisches Plankton sammle man natürlich beim Einfangen des Plastikmülls mit ein. Das Gros der Meereslebewesen hätte jedoch viele Möglichkeiten, unter der fließenden Barriere durchzutauchen. Wie viel sich dort tatsächlich verfängt, werde jedenfalls wissenschaftlich dokumentiert und analysiert. "Es ist aber mit Sicherheit so, dass dadurch die Lebensgemeinschaft im Pazifik nicht beeinflusst wird", betonte Herndl.

Mehr Plastik in der Tiefe

Vielfach wurde aber auch Kritik an dem Konzept selbst laut: So bemängeln Experten, dass das Projekt eben nur jenen Müll aus dem Meer entfernen kann, der mehr oder weniger an der Oberfläche schwimmt. Es wird befürchtet, dass in der Folge weniger Augenmerk auf größere Plastikmengen in tieferen Meeresschichten oder Mikroplastik gelegt wird.

Das Fernziel, die Meere vom treibenden Plastikmüll zu befreien, sei auf jeden Fall "durchaus ambitioniert", auch weil leider laufend zusätzliches Plastik dorthin gelangt, betonte Herndl. Sind einmal alle 60 Plastikfänger im Einsatz würden immerhin alle fünf Jahre rund 50 Prozent des Oberflächenplastiks im Nordpazifik eingesammelt, so die Angaben von "Ocean Cleanup". Ob sich das so bewahrheitet, gelte es nun zu überprüfen, sagte der Wiener Wissenschafter. (red, APA, 7.9.2018)