Mit 25 Jahren ist der Organismus am Höhepunkt, lassen Analysen der DNA vermuten, so jedenfalls sieht es Graig Venter, der US-Biochemiker hat vor 28 Jahren erstmals das menschliche Genom sequenziert.

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Visionär war der amerikanische Biochemiker Craig Venter immer schon: Anfang der 1990er-Jahre arbeitete er auf Hochtouren, um das menschliche Genom zu entschlüsseln, 1995 hat er es vor allen anderen Wissenschaftern geschafft. Craig Venter ist es als Erstem gelungen, das mensch liche Genom in Zahlen zu über setzen, es zu entschlüsseln, wie wir heute wissen.

Mittlerweile stehen in nahezu allen wissenschaftlichen Labors Genomsequenziergeräte und erzeugen Terabyte von Daten. Auch im J. Craig Venter Institute in Kalifornien ist das der Fall. Dort wurden Daten von abertausenden Menschen gesammelt. "Wir wollten uns ansehen, inwiefern wir aus einer solchen entschlüsselten genomische Zahlenreihe auf menschliche Merkmale rückschließen können", erklärt Craig Venter kürzlich auf einer Wissenschaftskonferenz in Darmstadt und zeigte sein "Face Project".

Man wisse, wo im mensch lichen Genom jene Passagen sind, die Hautfarbe, Gesichtsformen und Augenfarbe festlegen, dementsprechend habe man versucht, daraus tatsächliche Gesichter zu rekonstruieren und dann zu überprüfen, ob sie mit der Wirklichkeit übereinstimmen, erklärte Venter diese Art des Body-Morphings, mit dem er sich auch befasst. Erstaunlich fand Venter selbst, dass die Bilder, die sein Team errechnete, immer Menschen um das 25. Lebensjahr zeigte.

Bauplan und Gen-Expression

Zum Verständnis: Jeder Mensch hat vom ersten bis zum letzten Lebenstag die gleiche genomische Grundausstattung, doch vom Baby bis zum Greis verändert sich das Gesicht grundlegend. Venters Schluss: Nach Abschluss der Pubertät sei die Genexpression am aktivsten, der Mensch also in der Blüte seiner Jahre, und genau das würde sich auch in den errechneten Bildern widerspiegeln.

Mit dieser Ansicht hat Venter eine Kontroverse ausgelöst. Einige Kollegen werfen ihm vor, das Face Project sei unseriös, nicht zuletzt deshalb, weil er damit auf markschreierische Art und Weise sein Unternehmen Human Longev ity (auf Deutsch "menschliche Langlebigkeit") promoten will. Die Geschäftsidee dahinter: durch die Analyse des Genoms individuelle Risikofaktoren bestimmen und gezielt gegensteuern zu können. Das Gesicht sei das eindrücklichste Beispiel dafür.

"Leben ist ein DNA-Softwaresystem", ist Venter überzeugt und spricht von synthetischer Biologie, also der Möglichkeit, den Organismus zu manipulieren. Schon heute experimentiert Venters Institut mit Hefezellen und treibt somit die Evolution in Bereiche, die so noch nie existierten. "Doch jeder Mensch ist mathematisch betrachtet eine individuelle Lösung", räumt Venter ein, der dieser Einzigartigkeit jedes Einzelnen mit den Methoden künstlicher Intelligenz und gewaltiger Rechnerleistung begegnet. Das Ziel: in den gewaltigen Daten massen Muster und Regeln erkennen zu können.

Flexibles System

Vor allem die Veränderbarkeit der DNA durch äußere Umwelteinflüsse wie Sauerstoffeinwirkung oder Licht machten die lebenslange Entwicklung eines Organismus bisher nur sehr schwer vorhersagbar. Die dadurch erzeugte Diversität zwischen den Menschen sei die größte Herausforderung für die heutige Forschung, sagt er, vor allem nach dem 25. Lebensjahr.

Das Problem an Craig Venters Thesen: Medizinische Fachjournale waren von den Papers, die Venters Unternehmen zum Face Project dort einreichte, nicht angetan. Für den Anthropologen Mark Shriver waren Venters Versuche, aus Genomdaten individuelle Schlüsse zu ziehen, wenig überzeugend, so wird er zitiert. Noch nicht. Denn prinzipiell, da sind sich die Forscher einig, hat das Zeitalter der künstlichen Intelligenz gerade erst begonnen.

Was Venter noch sagt: Die Genomforschung der letzten 20 Jahre war viel zu stark auf das Entdecken von Krankheiten fixiert, Venter konzentriert sich auf die Analyse von Gesunden und die Frage, warum sie nicht krank sind. Er hofft, Hinweise dafür in der DNA zu finden. Denn der Bauplan des Menschen ist variabel, nicht nur die Jahre, auch der Lebensstil scheint eine essenzielle Rolle bei der Vorbeugung von Krank heiten zu spielen. (Karin Pollack, 10.9.2018)