Wien – Noch beglückt von exquisiten Erlebnissen bei den Salzburger Festspielen, geht es schon wieder zurück an die Wiener Staatsoper. Zum Saisonstart wird Bizets Carmen gegeben, Vergleiche zwischen Salzburg und Wien wären dabei aber nicht fair. Franco Zeffirellis Inszenierung über die wilde Dame und den verliebten Soldaten war schon zu ihrer Geburtsstunde 1978 nicht der Inbegriff von Regieneuheit.

Die Version (nun in ihrer 162. Vorstellung) allerdings bietet, praktikabel wie sie ist, ausreichend Freiraum für Sänger, die als Gestalter diese Freiheit nutzen wollen. Wie Erwin Schrott etwa als Escamillo: Die Rolle des galanten und Carmen umgarnenden Toreros passt ihm wie angegossen. Da stimmt jede Verbeugung, jede Hulderweisung. Und auch die markanten Schmettertöne sind bei Schrotts edlem Timbre gut aufgehoben. Der Bariton könnte natürlich bei den Legatolinien, die er gerne schmalzig-effektvoll ins Ungefähre verschleift, etwa mehr Präzision walten lassen.

So wie Carmen es tut: Clémentine Margaine gibt eine engagierte und exakt singende, emotional Wankelmütige. In dieser melodiebesoffenen Oper trifft Margaine allerdings vor allem den dramatischen Tonfall und jenen der Eiseskälte. Dass die Partie neben diesen Aspekten auch Leichtigkeit der Koloratur und lyrische Intimität begehrt, ist leider kaum zu hören. Immerhin: Zum Finale, wenn der längst im Affekt dahertorkelnde Don José das Messer zückt, war zuvor eine intensive Szene mit Carmen vorausgegangen. Tenor Marcelo Álvarez zeigt dabei prachtvollen Klang und Kondition. Das hatte jene vokale Energie, die zuvor da und dort fehlte.

Das Staatsopernorchester wiederum peitschte Frederic Chaslin mitunter an, als wollte er noch den nächsten Zug nach Sevilla erwischen. Es wurde aber ausgewogener. Somit: durchaus solider Saisonbeginn. (Ljubiša Tošic, 7.9.2018)