Frankfurt/Wien – Der Deutsche Buchpreis 2018 wird an keinen Österreicher gehen. Der Vorarlberger Arno Geiger befindet sich nicht unter den heute bekannt gegebenen sechs Finalisten. Am 8. Oktober dürfen bei der Preisvergabe in Frankfurt María Cecilia Barbetta, Maxim Biller, Nino Haratischwili, Inger-Maria Mahlke, Susanne Röckel und Stephan Thome zittern. Im Vorjahr hatte der Österreicher Robert Menasse gewonnen.

"Die sechs nach Ansicht der Jury gelungensten und wichtigsten Romane folgen ganz unterschiedlichen Spuren in die Vergangenheit oder in mythische Schichten der Wirklichkeit – fabulierend, spekulierend, verspielt; mit lakonischer Eleganz und bittersüßer Präzision, mit epischer Langsamkeit und spannungsgeladener Wucht", kommentierte Jurysprecherin Christine Lötscher die nun von 20 auf sechs Titel reduzierte Auswahl. "Antworten bekommen wir auf diesen Reisen durch Raum und Zeit nicht, und schon gar keine einfachen Wahrheiten. Umso faszinierter lässt man sich als Leserin, als Leser auf vielstimmige Erzählkompositionen und auf die Sinnlichkeit einer anderen Zeit ein, die immer auf unsere verweist."

Innerdeutsche Befindlichkeit

Ein religiöser Aufstand in China, das Leben auf Teneriffa oder die düstere Geschichte um einen Riesengeier – das sind Themen der Romane, die in die Endrunde gekommen sind. Innerdeutsche Befindlichkeiten oder deutsche Vergangenheitsbewältigung gehören nicht dazu, obgleich es diesmal ein rein deutsches Finale geben wird. Stattdessen umfassen die Erzählwelten der vier Frauen und zwei Männer den gesamten Globus und führen auch nach Argentinien, Tschetschenien oder Russland.

Barbettas Roman "Nachtleuchten" spielt 1974 in Buenos Aires kurz vor der Machtergreifung der Generäle – und ist damit am weitesten von Deutschland weg. "Dieser Roman sprüht vor Ideen, er ist ein Vulkan voller verschachtelter Sätze", urteilt die Jury. Die Autorin kam 1996 als Studentin nach Berlin und schreibt inzwischen auf Deutsch.

Stephan Thome hat es bereits zum dritten Mal auf die Shortlist geschafft. Hat er sich in seinem Debütroman "Grenzgang" (2009) noch mit dem Leben in der hessischen Provinz beschäftigt, spielt "Gott der Barbaren" im China des 19. Jahrhunderts. Ein Aufstand religiöser Fanatiker droht die Strukturen im Riesenreich hinwegzufegen. Die Jury lobt die "elegante Sprache" Thomes, der selbst Sinologe ist.

Grausamkeiten des Tschetschenien-Kriegs

Die Grausamkeiten des Tschetschenien-Kriegs hat die aus Georgien stammende Nino Haratischwili zum Thema ihres Romans gemacht. Die Hauptrollen in "Die Katze und der General" spielen ein russischer Oligarch und eine junge georgische Schauspielerin, die beide in Berlin leben. "Großes Kino", urteilt die Jury. Mit ihrem 1300-Seiten-Epos "Das achte Leben" über eine georgische Familie hatte die in Hamburg lebende Autorin 2014 einen unerwarteten Besteller gelandete.

Maxim Biller, auch als streitbarer Kolumnist und ehemaliger Teilnehmer aus dem "Literarischen Quartett" des ZDF bekannt, hat sich in "Sechs Koffer" des Schicksals und Geheimnisses seines Großvaters angenommen. Dieser wurde 1960 in der Sowjetunion hingerichtet. Der Roman ist zugleich die Geschichte einer russisch-jüdischen Familie auf der Flucht in den Westen. "Große Erzählkunst", meint die Jury.

Am Ende Europas

Inger-Maria Mahlke reist in "Archipel" ans Ende Europas – nach Teneriffa. Sie erzählt von einer Familie inmitten eines Jahrhunderts der Umbrüche. Die Autorin verknüpfe auf grandiose Weise den "Zyklus des Privaten" mit dem Politischen, urteilt die Jury. Mahlke stand bereits 2015 mit ihrem Roman "Wie Ihr wollt" im Finale zum Buchpreis.

Auch bei Susanne Röckels "Vogelgott" (erschienen im Salzburger Verlag Jung und Jung) geht es um ferne Kontinente. Dennoch fällt das Buch, ein von der angelsächsischen Fantasy-Literatur beeinflusster Schauerroman, aus der Reihe. Die Bewohner einer abgelegenen Bergregion stehen im Bann eines bedrohlichen Geiers. Die Jury lobt die "beklemmende Atmosphäre" der in München lebenden Autorin, die auch Übersetzerin ist.

Der Preisträger oder die Preisträgerin erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalistinnen und Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro. Die Preisverleihung findet zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt. (APA, 11.9.2018)