Freiheitliche lassen Österreicher im Ausland "wie die absoluten Vollpfosten" dastehen, befand SPÖ-Chef Kern.

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Wien – Massive Kritik an der Arbeit der türkis-blauen Bundesregierung übten SPÖ-Chef Christian Kern und SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder bei der Herbsttagung des roten Parlamentsklubs in Wien. ÖVP und FPÖ kürzten im Sozialbereich und bei Arbeitsmarktprogrammen und machten vor allem Politik für Reiche und Konzerne. Darüber hinaus schade die Regierung Österreichs Ansehen im Ausland, so Kern und Schieder. "Diese Regierung taumelt von einer Ecke in die andere und von einem Problem zum anderen", sagte Kern in seinem Referat vor den Abgeordneten des Parlamentsklubs.

Kern kritisierte das neue Arbeitszeitgesetz, das die Möglichkeit des 12-Stunden-Tags vorsieht ("ein Murks"), die Kürzung von Arbeitsprogrammen für ältere, jugendliche und asylberechtigte Arbeitslose sowie die Einsparung von 500 Millionen Euro bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), die nur Unternehmen und Industrie entlaste. Auch die geplanten Einsparungen bei der Mindestsicherung oder den Sozialversicherungen nahm Kern ins Visier.

"Diese Regierung verspielt den Aufschwung." Der Aufschwung müsse aber allen zugutekommen, es dürfe nicht nur Steuergeschenke für Wohlhabende geben, forderte Kern. Stattdessen fahre die Regierung über Sozialpartner, Parlament und Arbeitnehmerinteressen drüber. Bei der Kinderbetreuung habe die Regierung zum Ausdruck gebracht, dass ihr Familien und Kinder in Kärnten, im Burgenland und in Wien weniger wichtig sind als in ÖVP-geführten Bundesländern. Kern sprach von einem "Bruch der politischen Kultur" und kritisierte die ÖVP-Landeshauptleute: Wie konnten die das zulassen. Aufgabe der SPÖ werde es deshalb sein, für soziale Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt zu sorgen, der von der Regierung betriebenen Spaltung der Gesellschaft entgegen zu wirken und Respekt für die Institutionen der Republik, Demokratie und Rechtsstaat einzufordern.

Harte Worte für die FPÖ

Hart ins Gericht ging Kern mit der FPÖ, deren öffentliche Zustimmung der SPÖ-Chef "zerbröckeln" sieht. FPÖ-Klubobmann habe etwa mit der Verleumdung eines Asylwerbers in Lehre eine "unglaubliche Hetze" betrieben. Auf Gudenus Social Media-Seite wurde "der mieseste Mob mobilisiert, den man sich vorstellen kann". Die selben Leute, die in Chemnitz auf den Straßen waren, hätten hier ihre "Rülpser" abgegeben. "Wir wollen nicht, dass in Österreich grölende Nazis über die Straße laufen", sagte Kern. Mit seinem Verhalten habe Gudenus aber auch den Bundespräsidenten diskreditiert und diesem Mitten ins Gesicht geschlagen.

Der SPÖ-Chef nannte weitere Vorfälle mit FPÖ-Politikern von Innenminister Herbert Kickl über Generalsekretär Harald Vilimsky oder dem Nationalratsabgeordneten Reinhard Bösch bis hin zum niederösterreichischen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl. Dessen Aussage in einer deutschen TV-Sendung, wonach Österreich wegen der Überfremdung in den hiesigen Tierheimen nicht alle Hunde dieser Welt aufnehmen könne, quittierte Kern mit den Worten, dass es gut wäre, wenn diese Regierung nur österreichische Medien bespielt, "damit wir nicht im Ausland wie die absoluten Vollpfosten dastehen".

Abrechnung mit Kurz' Schweigen

Sauer stößt Kern auf, dass das Schweigen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zwar "nicht sehr durchgängig" sei, wenn es darum gehe, die SPÖ zu kritisieren, aber bei Verfehlungen in den eigenen Reihen oder beim Koalitionspartner eine "Wolke" mache. Der Regierung fehle der Respekt vor den Institutionen. Das gelte auch für Kurz selbst, meinte der SPÖ-Chef in Anspielung auf des Kanzlers Reaktion auf die Ankündigung der neuen UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet, die den Schutz von Migranten in Österreich überprüfen lassen will. Kurz' Replik, wonach sich Bachelet besser um Länder kümmern solle, wo Folter auf der Tagesordnung steht, kritisierte Kern scharf.

Die ehemalige Präsidentin Chiles habe ihren Vater im Folterkeller des chilenischen Diktators Augusto Pinochet verloren und sei einst selbst von der Militärjunta gefoltert worden. Kurz Aussendung sei deshalb eine "Geschmacklosigkeit der Extraklasse", so Kern. "Das ist nicht gut für Österreich. Das schadet unserem Ansehen. Das ist lupenreiner Populismus und lupenreine Demagogie, die da betrieben wird." Man sollte Meinungsverschiedenheiten austragen, aber nicht so.

In eine ähnliche Kerbe schlug SPÖ-Klubchef Schieder. Er attestierte der ÖVP-FPÖ-Regierung einen "Chaos-Sommer" und warf dem Kanzler Hass auf die Gerechtigkeitsidee vor. Mit der SPÖ wären etwa Tablets für alle Schüler schon heuer zu Schulbeginn ausgeliefert und nicht erst angekündigt worden, meinte Schieder. Die Herbsttagung des SPÖ-Klubs steht heuer unter dem Motto "Für die Menschen. Für das Miteinander. Für ein soziales Österreich." Neben den Referaten von Kern und Schieder widmeten sich die Genossen in verschiedenen Arbeitskreisen den Themen "Arbeit und Soziales", "Leistbares Wohnen" und "Gesundheit für alle".

Regierungsparteien weisen Kern-Kritik zurück

ÖVP und FPÖ weisen SPÖ-Kritik an ihrer Regierungsarbeit zurück. SPÖ-Chef Christian Kern sei tagtäglich damit beschäftigt, die Bundesregierung schlecht zu machen, einen Arbeitsmodus scheine er aber noch nicht gefunden zu haben, meinte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer. FPÖ-General Harald Vilimsky warf Kern vor, in seiner Kurzzeitkanzlerschaft einen politischen Scherbenhaufen hinterlassen zu haben.

Nehammer betonte, dass die Bundesregierung hohes Vertrauen in der Bevölkerung genieße. Das müsse auch der SPÖ-Chef akzeptieren. "Rundumschläge à la Kern bringen Österreich nicht weiter. Das schadet dem Land und sorgt für eine Spaltung", meinte Nehammer.

Vilimsky warf dem SPÖ-Chef vor, Österreich und seine Bevölkerung zu vernadern. "Langsam aber sicher ist es an der Zeit, aus dem politischen Schmollwinkel zu kommen und der Realität ins Auge zu blicken. Wenn Kern hingegen weiter nur die beleidigte Leberwurst spielt, wird er die SPÖ noch tiefer in die oppositionspolitische Bedeutungslosigkeit führen", sagte Vilimsky.

SPÖ präsentierte 7-Punkte-Plan zur Vollbeschäftigung

Die SPÖ hat bei ihrer Klubtagung am Dienstag außerdem einen 7-Punkte-Plan zur Vollbeschäftigung präsentiert. "Im Unterschied zur Regierung wollen wir faire, gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen und keinen Lohndruck, keine Billigkonkurrenz", hieß bei der Tagung des roten Parlamentsklubs. Die SPÖ-Vorschläge umfassen eine Facharbeiterausbildungsoffensive, für die 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden sollen.

Rund 10.000 Arbeitslose könnten so wieder in Facharbeiter-Jobs gebracht werden. Weiters fordern die Sozialdemokraten die Wiedereinführung der Ausbildungsgarantie für Jugendliche bis 25 Jahre, wodurch weitere 10.000 Arbeitsplätze für junge Erwachsene mit maximal Schulpflicht geschaffen werden könnten. Für Asylberechtigte will die SPÖ die Wiedereinführung des Integrationsjahres. Gleiches wünscht man sich für die Beschäftigungsaktion 20.000 für Langzeitarbeitslose. Dies würde 20.000 Jobs in der Gruppe der über 50-Jährigen schaffen.

Darüber hinaus enthält das SPÖ-Konzept einen Beschäftigungsbonus für Arbeitssuchende. Beschäftigungseffekt: plus 20.000 Arbeitsplätze. Jede Überstunde soll gleich viel Wert sein, Zuschläge für Teilzeit sollen auf das Niveau von Vollzeit angehoben werden, wodurch vor allem Frauen mehr verdienen würden. Für kleine und mittlere Unternehmen soll es zudem Investitionsanreize geben. Insgesamt würden bei Umsetzung der Pläne 200.000 Arbeitsplätze geschaffen, womit das Ziel Vollbeschäftigung laut SPÖ de facto erreicht wäre. (APA, 11.9.2018)