Agence-France-Presse-Mann Sammy Ketz am 18. September 2013 in der syrischen Stadt Maalula im Scharfschützenfeuer.

Foto: APA/AFP/ANWAR AMRO

Ich war auf einer Reportagereise in Mossul, der ehemaligen IS-Hochburg im Nordirak, um über Kinder zu schreiben, die zu einer Schule zurückkehrten, die drei Jahre zuvor von den Jihadisten geschlossen worden war. Ich dachte darüber nach, wie ich die Freude dieser Kinder am besten beschreiben könnte, als sie nach langer Zeit des Verbots an ihre Schultische in der zerstörten Stadt zurückkehrten.

Während ich mit einem Fotografen, einem Videojournalisten und dem AFP-Fahrer vor meiner Rückkehr nach Bagdad in einem Restaurant saß, las ich auf meinem Laptop einen Artikel über die europäische Debatte über Leistungsschutzrechte und den Plan, sie auf die Presse anzuwenden. Es erregte meine Aufmerksamkeit, war aber kein Schock für mich.

Nach fünf Jahren, in denen ich das kriegserschütterte Syrien durchquert hatte, wo ich bei etlichen Gelegenheiten knapp dem Tod durch die Kugeln eines Scharfschützen oder Granatsplitter entgangen war, war ich gerade zum dritten Mal seit der US-Invasion 2003 im Irak angekommen.

In mehr als 40 Jahren als Reporter habe ich gesehen, dass die Zahl der Journalisten vor Ort stetig abnimmt, während die Gefahren unerbittlich zunehmen. Wir sind Ziele geworden, unsere Berichterstattung kostet mehr und mehr. Vorbei sind die Zeiten, in denen ich in einer Jacke, in Hemdsärmeln, mit einem Personalausweis in der Tasche, neben einem Fotografen oder Videojournalisten über einen Krieg berichten konnte. Jetzt brauchst du kugelsichere Jacken, gepanzerte Autos, manchmal Bodyguards und Versicherungen. Wer bezahlt diese Kosten? Die Medien. Es ist ein hoher Preis.

Profite

Doch obwohl sie für den Inhalt bezahlen und Journalisten entsenden, die ihr Leben riskieren, um ein zuverlässiges, vollständiges, vertrauenswürdiges und vielfältiges Nachrichtenangebot zu produzieren, sind es nicht sie, die Profite einstreichen, sondern die Internetplattformen, die sich daran bedienen, ohne einen Cent zu zahlen. Es ist so, als ob ein Fremder kommen und sich schamlos die Früchte deiner Arbeit schnappen würde. Es ist moralisch und demokratisch nicht zu rechtfertigen.

So viele Freunde haben aufgehört, als Journalist zu arbeiten, weil ihr Medienunternehmen geschlossen wurde oder sie nicht mehr bezahlen konnte. Bis zu dem Tag, an dem sie ihre Stifte und Kameras wegräumten, hatten wir die schreckliche Angst geteilt, die uns erfasste, wenn wir uns hinter einer Mauer versteckten, die so stark von den Explosionen erschüttert wurde wie wir; die unbeschreibliche Freude geteilt, wenn wir erfolgreich der Welt die "Wahrheit" erzählen konnten, die wir mit unseren eigenen Augen gesehen hatten; die außergewöhnlichen Treffen mit Warlords und ihren schwer bewaffneten Männern, die lächelten, während sie mit ihren Pistolen oder Dolchen spielten und zusahen, wie wir ihre Bosse interviewten; das schmerzliche Leid angesichts der verstörten, eingeschlossenen Zivilisten, die Frauen, die unbeholfen ihre Kinder zu schützen versuchten, während Kugeln an den Wänden des Unterschlupfs vorbeischrammten, in dem sie für kurze Zeit Zuflucht gefunden hatten.

Geldmangel

Die Medien haben lange gelitten, bevor sie reagierten und dann eher gegen die Folgen als gegen die Ursache kämpften. Aus Geldmangel haben sie fast bis zur Schwelle der Absurdität Mitarbeiter entlassen: Zeitungen, die kaum noch mit Journalisten besetzt sind. Jetzt fordern sie, dass ihre Rechte respektiert werden, damit sie weiterhin über wichtige Ereignisse berichten können. Sie verlangen, dass die Verkaufserlöse mit denen geteilt werden, die die Inhalte produzieren, ob es sich um Medien oder Künstler handelt.

Das ist die Bedeutung von Urheber- und Leistungsschutzrechten. Wir können die von Google und Facebook verbreitete Lüge nicht länger schlucken, dass eine Richtlinie zu Leistungsschutzrechten die Möglichkeiten der Menschen, kostenlos ins Internet zu gehen, gefährden würde. Nein, der freie Zugang zum Internet wird bestehen bleiben, da die Internetgiganten, die redaktionelle Inhalte kostenlos nutzen, die Medien entschädigen können, ohne die Verbraucher zur Kasse zu bitten.

Schwer? Unmöglich? Ganz und gar nicht. Facebook erzielte 2017 einen Gewinn von 16 Milliarden US-Dollar und Google einen von 12,7 Milliarden US-Dollar. Sie müssen einfach ihre Schulden bezahlen. Auf diese Weise werden die Medien überleben, und die Internet-Titanen werden zur Vielfalt und Pressefreiheit beitragen, die sie zu unterstützen behaupten.

Pressefreiheit

Ich bin überzeugt davon, dass die EU-Abgeordneten, die durch irreführende Lobbyarbeit getäuscht wurden, jetzt verstehen, dass der kostenfreie Zugang zum Internet nicht gefährdet ist. Auf dem Spiel steht die Pressefreiheit, denn wenn den Zeitungen die Journalisten ausgehen, wird die Freiheit, die von Abgeordneten aller politischen Parteien unterstützt wird, verschwunden sein.

Unzählige Male war ich mit eingeschlossenen, isolierten, wehrlosen Menschen konfrontiert, die nur um eines baten: "Erzähle, was du gesehen hast. So haben wir eine Chance, gerettet zu werden." Soll ich antworten: "Nein, habe keine Hoffnung. Wir sind die letzten Journalisten. Bald wird es keine mehr geben, weil wir aus Mangel an Geld verschwinden"? Facebook und Google beschäftigen keine Journalisten und produzieren keine redaktionellen Inhalte. Aber sie werden für Werbung bezahlt, die mit Inhalten verbunden ist, die Journalisten produziert haben.

Jeden Tag untersuchen Journalisten alle Aspekte des Lebens, um ihre Mitbürger zu informieren. Jedes Jahr werden Preise an die mutigsten und talentiertesten Journalisten vergeben. Wir können nicht zulassen, dass Medien ihrer rechtmäßigen Einnahmen beraubt werden, um eines Tages keine Preise mehr vergeben zu können, da es an Kandidaten mangelt, die noch von vor Ort berichten können.

Es ist Zeit zu handeln. Das Europäische Parlament muss mit überwältigender Mehrheit für die Leistungsschutzrechte und damit für das Überleben der Demokratie und eines ihrer bemerkenswertesten Symbole stimmen: den Journalismus. (Sammy Ketz, 11.9.2018)