Violette Stoffwand, knallorange Schiebetür, links neben der kreisrunden Öffnung plötzlich ein kleiner, roter Schalter, dessen kreischender Einladung, gedrückt zu werden, man in keinster Weise widerstehen kann. Mit einem elektrischen Wrummm schließlich öffnet sich der Zugang zu einem samtig weichen, zentimeterdick gepolsterten Flower-Power-Paradies in Pink und Rot und Lila. Schritt für Schritt wird man in einen niemals endenden Farbenrausch hineingesaugt, der die kühnsten Haschischfantasien um tausend Regenbögen übertrifft.

"Schon als Kind habe ich immer von einem großen Zimmer mit vielen bunten Kissen geträumt", sagte der dänische Designer Verner Panton in einem Interview kurz vor seinem Tod 1998. "Von einem Zimmer, in dem sich Boden, Wand und Decke komplett auflösen und etwas ganz Neues, noch nie Dagewesenes bilden." Und ausgerechnet hier, in einem stillen Eckerl von Wien, wenige Schritte vom Wienerwald entfernt, hat sich der Ausnahmegestalter, dessen Todestag sich im September zum 20. Mal jährt, jenen Traum erfüllt, der unbestritten zu den größten und prächtigsten seines Schaffens zählt. Es ist der letzte noch erhaltene, nach wie vor in Nutzung befindliche Innenraum aus seiner Feder.

Ein Himmel aus Farben. Die Wohnhöhle in Wien besteht aus vielen verschiedenen Räumen, die allesamt mit Kunststoff, mit zentimeterlangem Flokati und mit der damals neuartigen Textilfaser Dralon verkleidet sind. Seit 1971 ist der Partykeller in Betrieb.
Foto: Stefan Oláh

"Für mich als Kind war die Wohnhöhle im Keller unseres Hauses das Normalste auf Erden", erinnert sich die heute 52-jährige Micki, die in diesem Haus aufgewachsen ist und anonym bleiben möchte, während sie in einer der magentafarbenen Stoffschalen aus dichtgewebtem Dralon Platz genommen hat. Sie liegt genau so da, wie damals als Fünfjährige, hingefläzt und ausgebreitet inmitten einer rundum gepolsterten Möbellandschaft.

"Erst als ich im Zeichenunterricht unseren Partykeller im Schulbuch entdeckt habe und die Lehrerin von einem gewissen Verner Panton zu erzählen begonnen hat, dachte ich mir: Hey, den Raum kenne ich! Und den Mann auch! Das ist der elegante Herr aus Dänemark mit dem dunkelblauen Rolli, der bei uns so oft auf Besuch war!"

Welt aus Formen und Farben

Verner Panton wuchs in der dänischen Pampa auf, als Sohn zweier Wirtsleute, und er sehnte sich schon früh nach einer Welt, die nur aus Formen und Farben bestand. Seinem ursprünglichen Wunsch, Malerei zu studieren, schoben seine Eltern einen Riegel vor, und so landete er am Ende auf der Architekturfakultät der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen.

Nach seinem Studium arbeitete er für Arne Jacobsen. Doch da er bald merkte, dass er sich im skandinavischen Traditionswerkstoff Holz beengt und uninspiriert fühlte, eröffnete er sein eigenes Designstudio und experimentierte von da an mit Kunststoffen und chemischen Textilien aller Art – mit Polyester, mit Polystyrol, mit Polyurethan.

Das Leben ist eine Cocktailkirsche. Einer der unterirdischen Räume ist komplett in Rot gehalten und umfasst eine Bar, diverse Hocker und sogar Waschbecken, Kühlschränke und Durchreichen, die hinter textilbespannten Türchen zum Vorschein kommen.
Foto: Stefan Oláh

Weltweite Berühmtheit erlangte Panton, dessen Leidenschaft mehr und mehr den Lampen und den Sitzmöbeln galt, mit dem "Panton Chair" – jenem Freischwinger, der bis in die Gegenwart als Ikone einer von Zukunft besessenen Zeit gefeiert wird. "Es war mein Traum, einen Stuhl aus einem Guss und ohne Schrauben zu machen", sagte er, "und Plastik war damals noch ein neues, noch ein tolles Material."

Der "Panton Chair", der schon zu Beginn in den knalligsten Farben erhältlich war, landete als Utensil in diversen Werbungen für Plattenspieler, für Damenstrumpfhosen, für Geschirrspüler von Bauknecht. Als das in Zusammenarbeit mit Vitra entwickelte Sitzmöbel auf dem Cover von "Vogue" und "Libération" zu sehen war und dann auch noch Amanda Lear eine Striptease-Fotoserie damit machte, ging die Produktion endgültig durch die Decke.

Innenraum als Gesamtkunstwerk

In den darauf folgenden Jahren widmete sich Panton, der dem Spießbürgertum von nun an den Kampf ansagte, mehr und mehr dem Innenraum als Gesamtkunstwerk. Für das deutsche Chemieunternehmen Bayer baute er auf der alljährlichen Möbelmesse in Köln diverse Möbelstände und ganze Ausstellungsinstallationen, die die Aufgabe hatten, die neue Textilfaser Dralon zu bewerben.

Mit Erfolg: Er bekam einen Großauftrag von der Zeitschrift "Der Spiegel", die in ihrer Hamburger Zentrale die Lobby, die Kantine und sogar ein Mitarbeiterschwimmbad einrichten ließ. Es folgten Aufträge für das Restaurant Varna in Århus, für die Schiffsdiskothek auf der Visiona 2 sowie für die Inneneinrichtung des Verlagshauses Gruner & Jahr.

Auf einer Messe lernte Panton schließlich Mickis Vater kennen. Der wünschte sich für sein Haus in Wien einen Partykeller. Die Chemie zwischen den beiden schien zu passen, und so mutierte die anfänglich noch kleine Idee zu einem Großprojekt mit weit über 200 Quadratmetern, bei dem der halbe Garten umgegraben und die Familie sogar für sechs Monate außer Haus ziehen musste.

Im Herbst 1971 fand in der knallbunten Wohnhöhle 22 Stufen unter Erdgeschoßniveau die allererste in einer Reihe von hunderten hier abgefeierten Partys und Gelagen statt. Der stets von oben bis unten in Dunkelblau gekleidete Verner Panton und seine Frau Marianne waren als Ehrengäste mit dabei.

"Ja älter ich wurde, desto mehr habe ich begriffen, was für eine Wunderkammer uns Panton hier geschaffen hat", sagt Micki, die dank dieses Raums, wie sie meint, den Weg zur Architektur gefunden hat. "Sobald die Gäste das Reich betreten haben, hat man genau gemerkt, wie sich ihr Verhalten verändert hat. Sie wurden stiller, fröhlicher und glücklicher."

Es gab Cocktailkirschen, Dekoananas und Mayonnaisesalat. Es wurde getanzt, geplaudert und geschwommen. Und das oft nicht nur über Stunden. "Ab und zu haben wir als Kinder und Jugendliche hier unten mehrere Tage verbracht, um zu beobachten, welche Auswirkungen das auf unsere Laune und auf unseren Tag-Nacht-Rhythmus hat. Es waren wilde Zeiten."

Abfeiern bis zur Gegenwart. Die "Welle-Fauteuils", das "Kleeblatt-Sofa" und die vielen "Ring-Leuchten" trugen Pantons unverkennbare Handschrift. Die rund 10.000 von der Decke hängenden Styroporkugeln wurden händisch mit Textilgarn umwickelt.
Foto: Stefan Oláh

"Kleeblatt-Sofa"

Einige von Pantons vielfach verkauften Lampen wie etwa "Flower Pot", "Ring-Leuchte" oder die aus schimmerndem Muschelkalk hergestellte "Fun" wurden hier hundertfach verbaut. Hinzu kommen kilometerlange Stoffbahnen in allen erdenklichen Opt-Prints, Kunststofffliesen mit poppigen Reliefs sowie einige Unikate von der Möbelmesse Köln wie etwa das mit violettem Flokati bezogene "Kleeblatt-Sofa".

Über alldem hängen mehr als 10.000 mit Stoffgarn händisch umwickelte, rund zwölf Zentimeter große Styroporkugeln in Dunkelrot und Lila von der Decke. "Mit diesem Auftrag", erinnert sich Micki, "haben meine Eltern eine Wiener Weberei vor dem Konkurs bewahrt."

Bis heute ist die Wohnhöhle unter Wien, deren Schwimmbecken aus technischen Gründen vor einigen Jahren ausgelassen und zugebaut wurde, nach wie vor in Betrieb. Feste, Kinderpartys, Geburtstagsfeiern finden hier statt.

"Ich kann es nicht ertragen, in ein Wohnzimmer zu kommen und ein Sofa mit Sofatisch und zwei Sesseln zu sehen und zu wissen, dass man hier den ganzen Abend festsitzen wird", sagte Verner Panton zu Lebzeiten. "Der Hauptzweck meiner Arbeit ist, die Leute anzutreiben, ihre eigene Vorstellungskraft zu nutzen." Seine Vision lebt in Wien fort. (Wojciech Czaja, RONDO, 22.9.2018)

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