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Der Gemeindebau in der Bürgergasse 22 in Wien-Favoriten. Wiener Wohnen verwaltet insgesamt 220.000 Gemeindewohnungen.

Foto: Harald Jahn / picturedesk.com

Wien – Eine 51 Quadratmeter große Wohnung mit zwei Zimmern an der U2 im zweiten Wiener Bezirk wird um 300 Euro Gesamtmiete ausgeschildert. Eine Einzimmerwohnung in der Herbststraße im 16. Bezirk (25 Quadratmeter) kommt auf 93 Euro Gesamtmiete. Eine Zweizimmerwohnung mit 43 Quadratmetern und einem kleinen Garten, Keller und Dachbodenabteil nahe dem Tiergarten Schönbrunn ist für 296 Euro Gesamtmiete zu haben.

Wird auf Immobilienplattformen nach "Gemeindewohnung Wien" gesucht, ist die Welt noch in Ordnung. Von den mehr als 150 aktuell auf immosuchmaschine.at ausgeschilderten Gemeindewohnungen wird der überwiegende Großteil der Sozialwohnungen mit sieben oder acht Euro pro Quadratmeter feilgeboten.

Vormerkschein oder Wiener-Wohnen-Ticket nötig

Die Vergabe der Gemeindebauwohnung erfolgt hier quasi direkt von Mieter zu Nachmieter. Voraussetzung ist freilich der Besitz eines Vormerkscheins oder eines Wiener-Wohnen-Tickets, das beim städtischen Unternehmen Wiener Wohnen zu beantragen ist.

Oder, im Fall der aktuellen Inserate, bereits vor längerer Zeit beantragt wurde: Bei einer Wohnung ist etwa ein Vormerkscheindatum vor August 2014 nötig, bei einer anderen ein Wohnticket älter als Stichtag Oktober 2016. Von den 8800 Gemeindewohnungen, die im Vorjahr laut Wiener Wohnen neu vergeben wurden, gab es rund 1500 Direktvergaben. Rund jede sechste Sozialwohnung wurde im Jahr 2017 damit nicht von der Stadt, sondern von Mieter zu Mieter weitergegeben.

In der Beantwortung einer Neos-Anfrage schrieb Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ), dass sich der ausziehende Mieter bei der Direktvergabe eine gänzliche Räumung erspare. Andererseits profitiere der Nachmieter "von einer kostengünstigen Grundausstattung der Wohnung", auch Transport und Montagearbeiten würden wegfallen.

Bis zu 5000 Euro Ablöse

Fest eingebaute Einrichtungsgegenstände – oder auch nur Teile davon – können sich Mieter mit bis zu 5000 Euro vom Nachmieter ablösen lassen. In zahlreichen aktuell inserierten Gemeindewohnungen findet sich auch diese Maximalablöse als Forderung.

Christoph Wiederkehr, Klubchef der Wiener Neos, kritisiert diese Vergabepraxis. "Viele, die auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance auf eine leistbare Wohnung haben, können sich auch keine Ablöse von 5000 Euro – und in einigen Fällen auch mehr – leisten", sagt er dem STANDARD. "Das Angebot für wirkliche Härtefälle wird durch die Direktvergaben stark verringert."

Keine Richtlinien für Ablösen

Die Stadt führt keine Richtlinien darüber, welche Ablösen für welche Gegenstände angemessen sind. Gaal weist auf "private Forderungen" hin, die die Verhandlungspartner klären müssen. Werden Wiener Wohnen überzogene oder nicht gerechtfertigte Ablösesummen gemeldet, kann auch im Nachhinein ein Verfahren zur Rückzahlung eingeleitet werden. Die betroffenen Mieter werden zudem von der Direktvergabe ausgeschlossen. Das passiere "in rund zehn Fällen pro Jahr".

Die Neos befürchten dennoch einen "Schwarzmarkt mit Gemeindewohnungen" und fordern Gaal auf, die Möglichkeit der Direktvergabe einzustellen. Wiener Wohnen soll stattdessen selbst Ablösekosten nach einem fixen Katalog übernehmen und – sofern sozial verträglich – dem Nachmieter weiterverrechnen.

220.000 Gemeindewohnungen

Wiener Wohnen verwaltet rund 220.000 Gemeindewohnungen. Jene, die sich für eine kostengünstige Gemeinde- oder geförderte Wohnung interessieren, brauchen ein Wohnticket der Stadt. Der Zugang zum Ticket wurde 2015 vom damaligen Wohnbaustadtrat und heutigen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verschärft: Nur Interessierte, die seit zwei Jahren in Wien wohnen, können sich überhaupt für Sozialwohnungen bewerben. Langzeitwiener werden vorgereiht. (David Krutzler, 12.9.2018)