Die neuen EU-Regeln zielen auf Plattformen wie Googles Youtube ab.

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Axel Voss ist mehr als zufrieden. Er ballt die Hände zu Fäusten und klatscht mit seinen Sitznachbarn von der konservativen Fraktion ab. Netzaktivisten steht hingegen der Schock ins Gesicht geschrieben. Die Gefühlsausbrüche sind kein Wunder: Die Anspannung vor der Abstimmung zum EU-Urheberrecht war enorm.

Eine erste Abstimmung im Juli führte zur Vertagung, de facto läuft seit Monaten eine globale Lobbying-Schlacht rund um das neue Urheberrecht. Nach mehr als 250 Abänderungsanträgen war am Mittwoch klar, dass sich das Europäische Parlament großteils auf die Seite der großen Verlage geschlagen hat. Nahezu alle Punkte, vor denen Netzaktivisten und IT-Koryphäen eindringlich gewarnt hatten, sind angenommen worden.

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Der CDU-Politiker Axel Voss freut sich über die Abstimmung.
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Upload-Filter

Der erste heikle Punkt waren sogenannte Upload-Filter. Künftig müssen große Plattformen automatisch überprüfen, ob von Nutzern hochgeladene Inhalte gegen das Urheberrecht verstoßen.

Nur Webseiten mit geringen Nutzerzahlen sind davon ausgenommen. Film- und Musikbranche wollen mit dieser Maßnahme verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Lieder und Videoclips ohne Entlohnung der Künstler und Verlage auf Youtube und Konsorten landen.

Kritiker warnen hingegen vor dem Aufbau einer "Zensurinfrastruktur", die jede Wortmeldung im Netz automatisch überprüft. Sportfans müssen künftig womöglich auf Selfies aus dem Stadium verzichten: Das EU-Parlament will Rechteinhabern die Exklusivrechte für alle Bilder und Videos von Sportveranstaltungen einräumen.

Leistungsschutzrecht

Ein zweiter, fast ebenso umstrittener Punkt ist eine "Linksteuer". Dieses Leistungsschutzrecht soll verhindern, dass Artikel im Netz ohne die Zustimmung des Rechteinhabers verbreitet werden. Künftig dürfen bei Links nur mehr "einzelne Wörter" aus dem verlinkten Beitrag erwähnt werden. Das zielt auf Nachrichten-Aggregatoren wie Google News ab, die einen Überblick über unterschiedliche Inhalte von Medienplattformen bieten.

In Deutschland existiert ein derartiges Leistungsschutzrecht schon jetzt – es führte dazu, dass fast alle Verlage Google die Freigabe erteilten, ihre Artikel auf Google News zu verwenden. Denn andernfalls wären sie um eine große Zahl von Klicks gebracht worden.

Gerade Google profitiert wohl

Kritiker befürchten nun, dass gerade Google von den zwei Neuerungen profitieren wird. Denn bei Googles Videoplattform Youtube sind bereits Filtermechanismen im Einsatz, während Konkurrenten diese erst lizensieren oder selbst entwickeln müssen. Mit Google News ist der Anbieter derart stark, dass kaum ein Verlag auf dortige Verlinkungen verzichten möchte.

Viele Details der Reform sind allerdings noch unklar, sie werden einerseits in den kommenenden Monaten im Trilog mit den nationalen Regierungen geklärt werden, andererseits könnte die exakte Auslegung mancher Regelungen bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) ausjudiziert werden.

Reaktionen

Die Unschärfe der Regelungen erlaubte Politikern eine breite Variante von Reaktionen. Neos und Grüne zeigten sich äußerst skeptisch, der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon sprach etwa davon, dass "Bedenken aus der Zivilgesellschaft ignoriert wurden".

Die Sozialdemokratie lobte einige "Verbesserungen für Kreative"– etwa mehr Transparenz darüber, wieviel Geld mit ihren Werken wo verdient wird;beklagte aber den Zuspruch zu Upload-Filtern. ÖVP-Abgeordneter Heinz Becker plädierte für den "Vorrang für den Schutz geistigen Eigentums in Europa". Die FPÖ enthielt sich, wie zuvor schon im Juli, davor, eine Stimme abzugeben.

Heftige Kritik von Aktivisten

Netzaktivisten wie die Datenschützer von epicenter.works zeigten sich allerdings entsetzt. Die Organisation sprach von einer "katastrophalen Weichenstellung" für das freie Internet.

"Es ist beschämend, wie Politikerinnen und Politiker, die dauernd über Digitalisierung reden, gleichzeitig die Grundlagen des Internets zerstören", hieß es in einer Aussendung. Die Datenschutz-Vereinigung Edri sprach von einem "Internet, in dem nur Facebook und Google überleben können".

Es liegt nun an der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, die Vorstellungen von EU-Kommission, EU-Parlament und nationalen Regierungen unter einen Hut zu bringen. Das letzte Wort erhält dann wieder das EU-Parlament, das den Vorschlag annehmen oder ablehnen kann.

Kritiker wie die Piratin Julia Reda sehen das als "letzte Chance für das freie Internet". Kommt es vor Mai zu keiner Einigung, beginnt der Gesetzgebungsprozess nach der EU-Wahl von vorne. (Fabian Schmid, Muzayen Al-Youssef, 12.9.2018)