Vom Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer abwärts haben aktive und ehemalige ÖVP-Politiker die türkis-blaue Regierung aufgefordert, Asylwerber, die eine Lehre in Österreich absolvieren, nicht abzuschieben. Unzählige Unternehmer haben sich für die Aktion "Ausbildung statt Abschiebung" starkgemacht, und Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat einen Lehrling besucht, um seine Unterstützung demonstrativ zu bekunden.

Die Appelle haben nichts genutzt. Nur wenige Tage nachdem die Regierung angekündigt hatte, die Situation der Asylwerber zu prüfen, ist nun die Entscheidung da: Die Lehrlinge werden nicht bleiben dürfen. Wer einen negativen Asylbescheid hat, muss das Land verlassen.

Diese Entscheidung der Regierung und die Art und Weise, wie sie getroffen wurde, nötigen in ihrer Konsequenz Respekt ab. Die türkis-blaue Regierung ist mit zwei Versprechen angetreten: Sie hat einen neuen Stil angekündigt und mehr Härte in Zuwanderungsfragen. Im Fall der Lehrlinge setzen ÖVP und FPÖ beides perfekt um. Die Parteien machen, wofür sie von einer Mehrheit gewählt worden sind, und lassen sich davon auch von Protestrufen der Zivilgesellschaft, seien sie noch so laut, nicht abbringen.

Ja kein offener Streit

Mehr noch: Türkis und Blau lassen sich auch von den Auffassungsunterschieden nicht spalten. Große Teile der ÖVP, allen voran der Unternehmerflügel und die verbliebenen christlich-sozialen Kräfte, hätten das Lehrlingsthema gerne liberal gehandhabt. Die FPÖ dagegen hat in Zuwanderungsfragen kein Konzept und setzt wie seit Jahrzehnten gewohnt auf dumpfe Härte.

Während eine solch umstrittene Frage unter der rot-schwarzen Vorgängerregierung für wochenlangen Streit gesorgt hätte, kommt unter ÖVP und FPÖ keine Dissonanz auf. Das nennt man professionell.

Die Lücke wird größer

All das heißt freilich nicht, dass die Entscheidung in der Sache inhaltlich richtig ist. Im Gegenteil: Asylwerber-Lehrlinge abzuschieben ist nicht nur unsympathisch, sondern auch ökonomisch falsch. Die jungen Lehrlinge engagieren und integrieren sich und lernen die Sprache. Die Unternehmer brauchen die angehenden Arbeitnehmer. Der Staat muss sich nicht mit Abschiebungen herumschlagen. Die Aktion "Ausbildung statt Abschiebung" war für alle Beteiligten eine Win-win-Situation.

An dieser Tatsache ändert auch nichts, dass die Regierung an sich richtig sagt, dass es tausende anerkannte Flüchtlinge in Österreich gibt, die arbeitslos gemeldet sind und bei denen der Zugang zur Lehre forciert werden soll. Nur weil das stimmt, heißt das ja nicht, dass die Lehre für Asylwerber damit falsch wird.

Lösungsvorschläge für die Lehrlinge hätte es genug gegeben. Ganz praktikabel hätte man die Asylwerber, die schon eine Lehre absolvieren, ihre Ausbildung beenden lassen können, so wie es die ÖVP-dominierte Wirtschaftskammer gefordert hat. Dass daraus nichts wird, zeigt, dass die Volkspartei ihre Position in dieser Frage der Koalitionsräson untergeordnet hat.

Offen ist, wie lange die ÖVP diese Linie durchhalten wird. Industrie und Wirtschaftskammer pochen ja auf geregelten Zuzug. Inzwischen ist die Rede von 160.000 fehlenden Fachkräften in Österreich. Natürlich ist diese Zahl zu hoch gegriffen, natürlich werden ein paar hundert Asylwerber-Lehrlinge an diesem Mangel nichts Grundlegendes ändern können. Aber ohne die Lehrlinge wird die Lücke ein Stück größer und nicht kleiner. Wenn schon mit der FPÖ in dieser vergleichsweise kleinen Frage keine pragmatische Einigung gelingt, verheißt das für die kommenden Debatten über eine breite Modernisierung des Zuwanderungsrechts nichts Gutes. (András Szigetvari, 12.9.2018)