Wien – Bisher hat sich die Europäische Zentralbank (EZB) nur indirekt dazu geäußert, ab wann sie die Zinsen wieder Richtung normaler Niveaus zurückzuführen gedenkt. Volkswirte und Börsianer gehen jedenfalls von folgendem Fahrplan aus: Die EZB wird nach dem Auslaufen der Anleihenkäufe zu Jahresende zunächst im ersten Halbjahr 2019 die Strafzinsen von minus 0,4 Prozent auf Bankeinlagen zurückfahren, bevor sie den Leitzins antastet.

Die Nullzinsphase wird laut EZB "mindestens über den Sommer 2019 hinaus" andauern, erste Zinserhöhungen also wohl erst im zweiten Halbjahr stattfinden. Weitere Hinweise könnte die EZB bei ihrer Zinssitzung am Donnerstag liefern.

Ist die EZB bereits zu spät dran mit der Normalisierung ihrer Geldpolitik? Schließlich brummt die Wirtschaft in der Eurozone, und die Teuerung hat den Zielwert der Notenbank von knapp zwei Prozent erreicht. Nein, meint Andreas Auer, Chief Investment Officer der Bank Gutmann, unter Verweis auf die sogenannte Kerninflation. Dabei werden die Bereiche Nahrung und Energie herausgerechnet, da deren Preise stark schwanken – und ohne beide Kategorien liege die Teuerung in der Eurozone noch unter dem Zielwert. "Der EZB ist der zugrundeliegende Preisdruck nicht groß genug", folgert Auer. "Sie will zuwarten, bis sich die Erholung weiter fortsetzt."

Geldpolitik auch für den Süden

Zudem gibt er ebenso wie Wolfgang Habermayer, Chef der Beratungsfirma Merito Financial Solutions, zu bedenken, dass die Notenbank ihre Geldpolitik auf den gesamten Währungsraum ausrichten muss – und damit auch auf die Bedürfnisse schwächerer Länder. In Italien, Spanien und insbesondere Portugal kommt die Inflation nämlich erst langsam zurück.

Habermayer rechnet grundsätzlich mit einem eher zaghaften Vorgehen der EZB – nicht zuletzt deshalb, weil der Brexit für Unsicherheit sorgen könnte. Habermayer erwartet nämlich bei den Austrittsverhandlungen keine "Extrawürste" für die Briten.

Für die USA geht er davon aus, dass die Normalisierung der Geldpolitik weiter voranschreiten werde. Konkret bedeutet dies für Habermayer noch fünf weitere Zinsschritte bis 2019, den ersten davon wahrscheinlich noch im September. (aha, 13.9.2018)