Der Markt wird es schon richten, aber ist auch ständig in Bewegung. Wirtschaftsweisheiten (oder doch eher -platitüden?) betonen immer wieder, dass sich Unternehmen an den Markt anpassen müssen. Nachfrage und Angebot sind ständigen Schwankungen unterworfen. Doch gerade Verbraucher und Kunden wollen hier gern unabhängige und neutrale Empfehlungen. So sind Gütesiegel und Organisationen entstanden.

Seit Aufkommen des Internets haben sich Kundenbewertungen als immer wichtigeres Werkzeug für eine neutrale Bewertung von Produkten oder Dienstleistungen herausgebildet. Seit einigen Jahren ändert sich die Branche allerdings und Influencer-Marketing nimmt eine immer wichtigere Rolle ein. Zwischen Glaube und Fakt klappen jedoch einige Lücken.

Gütesiegel: alte Tradition im digitalen Zeitalter

Gütesiegeln wird laut einer YouGov-Umfrage von 2016 weiterhin ein hohes Vertrauen entgegengebracht. Viele Güte- oder Qualitätssiegel haben dabei schon eine lange Geschichte hinter sich.

Meist sind die Label und Etiketten mit bestimmten Organisationen verknüpft wie beispielsweise die Stiftung Warentest in Deutschland, der Verein für Konsumenteninformation (VKI) in Österreich oder das Europäische Verbraucherzentrum unter "europakonsument". Alle diese Organisationen kümmern sich um Verbraucherschutz und setzen sich als Ziel, unabhängig und objektiv Konsumenten zu informieren und Verbraucherinteressen zu fördern. Größtenteils sind diese Organisationen staatlich oder zumindest staatlich gefördert.

Seit der Digitalisierung und dem Social-Media-Boom kamen neue Anbieter hinzu, die die Bandbreite enorm erweiterten. Doch seien es nun Yelp oder Foursquare mit ihren Check-ins, Travelbird mit Insidertipps, Facebook mit seiner Places-Funktion oder TripAdvisor mit seinen Travellers’ Choice Awards: Wie viel taugen solche Bewertungen? Wie sehr vertrauen Konsumenten darauf?

Auf TripAdvisor bewerten Touristen unter anderem Restaurants.
Foto: REUTERS/Mike Blake

Vertrauen: Kundenbewertung versus Influencer

Eine Studie des Softwareunternehmens "Bazaarvoice", an der Mitte 2018 über 4.000 Konsumenten in Europa teilgenommen haben, förderte Interessantes zu Tage: Von den Befragten ziehen 71 Prozent der deutschen Befragten die Produkt- oder Markenbewertung eines anderen Kunden der Empfehlung durch einen bekannten Influencer vor. Gleichzeitig konsumieren Verbraucher so häufig wie nie Inhalte von Influencern. 92 Prozent der europäischen Verbraucher interagieren mit Influencern, jedoch hat fast die Hälfte (43 Prozent) aufgrund einer solchen Empfehlung noch keinen Kauf getätigt.

Mehr als jeder Dritte (34 Prozent) allein der britischen Befragten sagte aus, dass er sich mit User-Generated Content (Inhalte, die andere Kunden schrieben) identifizieren würde. Verbraucher wollen Authentizität und Vertrauen - und das kommt von echten Menschen und keinen öffentlichen Personenmarken. Über drei Viertel (78 Prozent) sagten daher auch, dass Kundenmeinungen ihnen helfen würden zu erkennen, was ein Influencer wirklich aussage und wo man Parteilichkeiten erkenne. Drei Märkte waren in der Umfrage vertreten: 2.000 Verbraucher in Großbritannien und 2.000 Verbraucher auf dem französischen und deutschen Markt.

Testimonials und Nutzermeinungen: Gütesiegel des 21. Jahrhunderts?

Die Macht der Masse darf und sollte nicht unterschätzt werden. Die Crowd ist zu einem integralen Bestandteil vieler digitaler Bewegungen geworden; Crowdsourcing, Crowdfunding, Crowdworking und nicht zuletzt Crowdvoting, welches vor allem durch soziale Netzwerke populär wurde.

Zuletzt wurde berichtet, dass Facebook an einer neuen Reporting-Methode zur Fake-News-Bewertung arbeite. Das kalifornische Social-Media-Unternehmen steht seit einiger Zeit in der Kritik nicht genug gegen Fake News zu unternehmen. Über eine Variante des Crowdvoting-Prinzips will Facebook nun für mehr Fakten sorgen.

Doch inwieweit sind diese Methoden wirklich erfolgversprechend? Etwas den anonymen Massen anzuvertrauen statt einem Expertenpool kann funktionieren – aber scheiterte auch schon häufig und sehr grandios: Gerade der Herdentrieb der Masse wurde von autokratisch herrschenden Cliquen ausgenutzt oder war nützlich beim Heraufheben von Diktatoren durch solche Kamarillas. Auch in politischen Wahlen wird der Wählende gern manipuliert und missbraucht; so gibt es aktuell Vorwürfe der Wahl- beziehungsweise genauer der Wählermanipulation unter anderem in der Türkei, den Vereinigten Staaten – sowie vielen weiteren Ländern, dort aber mitunter und in diesem Zusammenhang auch gegen große Tech-Konzerne wie Facebook oder Twitter.

Auch in einer digitalisierten Zeit gibt es keine absoluten Sicherheiten. Allein 2014 standen die deutsche Stiftung Warentest und der Automobilclub ADAC beide in der Kritik, sie hätten zugelassen, dass Reifenhersteller vor Tests ihre Produkte manipulieren könnten. Ähnlich problematisch war das bewusste Lügen und Betrügen beim Dieselgate-Abgasskandal um Volkswagen und andere Hersteller.

Gegen bewusste Täuschung und Betrug kann schwer etwas unternommen werden. Doch durch die Digitalisierung und die Verbreitung des Internets haben nun zumindest mehr Menschen die Möglichkeit ihre Meinung und ihr Feedback mitzuteilen. Damit sind zwar keine objektiven Bewertungen möglich (sofern diese überhaupt möglich wären), doch eine wesentlich größere Masse an Menschen kann über etwas befinden – und andere können diese Meinung für sich auswerten und interpretieren. (Christian Allner, 10.10.2018)

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