Europas größter Softwarekonzern SAP will für Zukäufe nicht mehr tief in die Taschen greifen. "Wir haben alles, was wir brauchen", sagt Strategiechef Deepak Krishnamurthy in einem am Freitag veröffentlichten Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Die letzten großen Übernahmen des DAX-Unternehmens waren das des Geschäftsreisemanagement-Portal Concur 2014 um rund 6 Mrd. Euro sowie die aufs Kundenmanagement spezialisierte US-Firma Callidus um 2,4 Mrd. Dollar (2,1 Mrd. Euro). "Wenn wir jetzt ein Unternehmen kaufen, wird es deutlich kleiner sein, kleiner als Callidus, kleiner als eine Milliarde Euro", sagt der 42-Jährige, der als Kopf hinter der Neuausrichtung von SAP auf das Cloud-Geschäft gilt, bei dem den Kunden Software über externe Server zur Verfügung gestellt wird.

Geschäftsmodell verlagern

Lange Zeit tat sich der Softwareriese ähnlich wie US-Konkurrent Oracle schwer damit, sein auf Lizenzen ausgerichtetes angestammtes Geschäftsmodell in die Datenwolke zu verlagern. Doch inzwischen rückt eine wichtige Marke in Reichweite: "Bis zum Jahresende werden wir einen höheren Umsatz in der Cloud als im traditionellen Lizenzgeschäft machen." Für Krishnamurthy steht fest: "Wir sind auf dem Weg oder sogar einen Schritt voraus, was unsere Aspirationen für die Cloud-Transformationen angeht." Nach kräftigen Zuwächsen im zweiten Quartal hatte der Walldorfer Konzern seine Prognose fürs Gesamtjahr angehoben.

Angesichts der Digitalisierung ihres Geschäfts und einfacherer Wartungsmöglichkeiten verzichten immer mehr Firmen darauf, teure Software-Lizenzen zu erwerben. Sie kaufen stattdessen flexiblere Web-Abos, die in der Regel monatlich bezahlt werden und nicht einmalig. Während viele Internetkonzerne längst in dieser Realität angekommen sind, halten sich vor allem Industrie-Urgesteine mit dem Wechsel in die Cloud zurück. "Wir werden immer Lizenzkunden haben", sagte der aus Indien stammende frühere McKinsey-Manager, der seit 2009 für den deutschen Konzern arbeitet. Vor allem die SAP-Großkunden verlangten dies.

Kundenmanagement "große Chance"

Seit der Callidus-Übernahme greift SAP im Markt für Kundenmanagement-Software (CRM) an und wagt sich ins Revier des Marktführers Salesforce. "Wir glauben, dass das Kundenmanagement eine große Chance für SAP darstellt", sagt der passionierte Läufer Krishnamurthy, der am Wochenende am Marathon in Berlin teilnehmen wollte. Kurzfristig werde SAP im CRM-Sektor beim Umsatz prozentual "zweistellig oder hoch zweistellig wachsen". Kürzlich hatten die Walldorfer ihr neues integriertes CRM-Programmpaket C/4 Hana vorgestellt. "C4/Hana gewinnt eine Menge Zugkraft", ergänzt Krishnamurthy. Er stelle fest, dass es in der gesamten Industrie eine "Art Amazon-Effekt" gebe – jeder wolle die Ergebnisse spätestens am nächsten Tag sehen. Wie viele Kunden SAP in diesem Bereich bereits zählt, wollte er nicht sagen. Gartner-Experten rechnen damit, dass der CRM-Markt seine Größe zwischen 2016 und 2021 auf 66 Mrd. Dollar fast verdoppeln wird.

Der Manager macht beim Datenschutz ein Alleinstellungsmerkmal für SAP aus. "SAP speichert keine persönlichen Daten", sagt Krishnamurthy. Das habe auch dazu geführt, dass der Konzern bei manchen Übernahmen nicht zugegriffen habe. Für SAP sei es ein strategischer Vorteil, ein deutsches Unternehmen zu sein, "weil wir Datenschutz in unserer DNA haben". Da das Thema auch in China und Indien an Relevanz gewinne, könne SAP dort bereits entsprechende Lösungen anbieten. Im Mai ist in Europa die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft getreten, die personenbezogene Daten stärker schützt. (APA, 14.9.2018)