Höchstgerichtskandidat Brett Kavanaugh inszenierte sich bei seiner Vorstellung im Frühjahr als konservativer Familienmensch.

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Auch zu seiner Anhörung vor dem zuständigen Ausschuss des US-Senats nahm er seine Familie mit.

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Washington – Der von US-Präsident Donald Trump für den US-Supreme-Court nominierte konservative Jurist Brett Kavanaugh muss um seine Bestätigung durch den US-Senat bangen. Am Sonntagabend war eine Frau an die Öffentlichkeit gegangen, die behauptet, Anfang der 1980er-Jahre Opfer eines sexuellen Angriffs geworden zu sein. Laut den Vorwürfen soll Kavanaugh im betrunkenen Zustand versucht haben, seiner damaligen Mitschülerin ihre Kleider vom Leib zu reißen. Zudem habe er ihr den Mund zugehalten, als sie versucht hatte, um Hilfe zu rufen. Sie habe befürchtet, dabei zu ersticken. Kavanaughs Beschuldigerin ist auch bereit, ihre Anschuldigungen vor dem US-Senat unter Eid zu wiederholen.

Der Jurist bestritt in einer Mitteilung am Montag die Vorwürfe. Auch er sei zu einer Aussage bereit. Die Anschuldigungen waren in anonymisierter und unvollständiger Form schon seit einigen Wochen an die Öffentlichkeit gedrungen. Am Wochenende hatte die "Washington Post" dann Christine Blasey Ford, heute Psychologie-Professorin in Palo Alto, als Urheberin der Anschuldigungen identifiziert. Sie habe ursprünglich nicht selbst an die Öffentlichkeit gehen wollen, um sich nicht dem Kritiksturm von Trump-Unterstützern aussetzen zu müssen, sagte sie dem Blatt. Allerdings hatte sie der demokratischen Abgeordneten Anna Eshoo und der "Washington Post" im Juni und Juli Briefe geschrieben, in denen sie die Vorwürfe mit der Bitte um Anonymität schildert. Nun, da Teile bereits an die Öffentlichkeit gedrungen sind, wolle Ford allerdings selbst die Kontrolle über ihre Geschichte behalten, zitiert die "Washington Post" die Gründe für Fords nunmehrigen Sinneswandel.

Eile im Weißen Haus

Angesichts der neuen Anschuldigungen steht die eigentlich noch im September geplante Abstimmung über Kavanaugh infrage. Auch mehrere einflussreiche Republikaner, darunter der scheidende Senator Arizonas, Jeff Flake, haben sich dafür ausgesprochen, die Vorwürfe vor einer Abstimmung zu klären. Das wird für das Weiße Haus zum Problem. US-Präsident Trump möchte den Höchstgerichtsplatz, der wegen Pensionierung des gemäßigten Richters Anthony Kennedy freigeworden war, unbedingt schnell mit seinem konservativen Kandidaten besetzen. Im November werden das Abgeordnetenhaus und Teile des Senats neu gewählt. Ab Ende Dezember könnten daher neue Abgeordnete über Gerichtskandidaten abstimmen, die Mehrheit der Republikaner steht in beiden Kammern infrage.

Dass Ford nun zur Aussage unter Eid bereit ist, erschwert auch Versuche des Weißen Hauses, die Affäre eilig durchzutauchen. Trump-Beraterin Kellyanne Conway hat noch am Montagvormittag selbst eine solche Aussage der Professorin vorgeschlagen, laut dem US-Medium "Axios" allerdings in der Hoffnung darauf, dass die Beschuldigerin wegen ihrer Angst vor dem Rampenlicht davor zurückschrecken werde.

Vorwürfe gegen "Bart O'Kavanaugh"

Bereits bevor die Vorwürfe an die Öffentlichkeit kamen, hatte sich Ford auf Anraten einer Anwältin einem Lügendetektortest unterzogen. Dieser bescheinigte ihr, die Wahrheit gesagt zu haben. Außerdem hatte sie bereits 2012 in einer Paartherapiesitzung mit ihrem Mann von einer versuchten Vergewaltigung durch einen "hohen Juristen" erzählt, der eines Tages für das Höchstgericht nominiert werden könnte. Das geht aus Aufzeichnungen einer Therapiesitzung hervor. Ihr Mann Russel Ford bestätigte diese Angaben und ergänzte, seine Frau habe Kavanaugh damals auch namentlich erwähnt.

Ein weiterer Mitschüler, Mark Judge, soll laut Ford bei dem Vorfall ebenfalls dabei gewesen sein. Er habe ihr damals unbeabsichtigt die Flucht ermöglicht, als er betrunken auf sie und Kavanaugh gesprungen sei. Judge, der heute als konservativer Autor und Regisseur arbeitet, wollte sich zu den konkreten Vorwürfen zunächst nicht äußern. Bevor der Name Fords bekanntgeworden war, hatte er allerdings gesagt, er könne sich nicht vorstellen, dass Missbrauchsvorwürfe gegen seinen Freund zuträfen. In Büchern Judges kommt allerdings ein dauerbetrunkener Schulkollege namens "Bart O'Kavanaugh" vor, bei dem es sich um eine dürftig anonymisierte Version Brett Kavanaughs handeln könnte.

Der Jurist sollte nach bisherigem Fahrplan eigentlich am Donnerstag vom Justizausschuss des Senats empfohlen und vom Senat dann noch im September offiziell ernannt werden. Er ist heute ein erzkonservativer Jurist, den Trump für eine freigewordene Position am obersten US-Gerichtshof vorsah. In den 1990er-Jahren hatte Kavanaugh als Mitarbeiter von Kenneth Starr gearbeitet, der auf Geheiß der Republikaner Vorwürfe gegen Präsident Bill Clinton untersuchte, darunter dessen Affäre mit Praktikantin Monica Lewinsky. Supreme-Court-Richter sind in den USA hochpolitische Positionen, ihre Stellen werden auf Lebenszeit vergeben. Sollte Kennedy tatsächlich durch Kavanaugh ersetzt werden, würde das eine beträchtliche Verschiebung des ideologischen Gewichts des Supreme Court nach rechts bedeuten. (Manuel Escher, 17.9.2018)