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Die deutsche Kanzlerin Merkel distanziert sich offenbar von ihrem Verfassungsschutzpräsidenten.

Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay

Berlin – Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will einem Zeitungsbericht zufolge den umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen loswerden. Die Kanzlerin habe führenden Mitgliedern der Koalition am Wochenende in Telefonaten signalisiert, dass sie Maaßens Ablösung erreichen wolle, berichtete die "Welt" am Montag unter Berufung auf Koalitionskreise. Bestätigt wurde die Meldung nicht.

Die Ablösung des Geheimdienstchefs soll dem Bericht zufolge in jedem Fall erfolgen – unabhängig davon, wie sich sein Dienstherr, der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU), dazu stellt. Merkel ist laut "Welt" der Auffassung, der Behördenleiter sei nicht mehr tragbar, weil er sich in die Tagespolitik eingemischt habe. Maaßen hatte in der "Bild"-Zeitung Skepsis darüber geäußert, dass es in Chemnitz tatsächlich "Hetzjagden" gegen Flüchtlinge gab. Zudem ist er wegen seiner Kontakte zur AfD in der Kritik.

"Frankfurter Rundschau"-Redakteur Hanning Voigts will erfahren haben, dass Horst Seehofer seine Teilnahme am morgigen Gespräch abgesagt hat.

Die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz wollte den Bericht nicht kommentieren und verwies auf das für Dienstag vereinbarte Gespräch zwischen Merkel, CSU-Chef und Innenminister Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles. Bis dahin sei Stillschweigen vereinbart worden, sagte Fietz. Auch die Sprecherin des deutschen Innenministeriums, Eleonore Petermann, lehnte eine Stellungnahme ab. "Das sind alles Spekulationen", sagte sie.

Bedeckt hielten sich auch Parlamentarier von Union und SPD. Aus Kreisen der Unionsfraktion hieß es am Montagvormittag, es sei noch keine Entscheidung über die Zukunft Maaßens gefallen. Auch in SPD-Kreisen wusste man zunächst nichts von einer bereits definitiven Entscheidung – man gehe aber fest von der Ablösung des Spitzenbeamten aus, hieß es.

Steinmeier hofft auf rasche Entscheidung

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte in der Angelegenheit zu Eile. "Ich kann nur meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass dort, wo Entscheidungen gefällt werden müssen, sie bald fallen", sagte Steinmeier am Rande eines Besuchs in Helsinki. Der frühere SPD-Außenminister unterstrich das Interesse der europäischen Staaten an einer stabilen Regierung in Deutschland. "Mich hat es nicht erstaunt, aber doch beunruhigt, mit welcher Schärfe aus Europa auf die innenpolitische Situation in Deutschland geschaut wird."

Nahles sagte wegen des Treffens mehrere Termine am Dienstag in Hessen ab. Sie hatte am Wochenende gesagt: "Herr Maaßen muss gehen, und ich sage euch, er wird gehen." Seehofer hatte dagegen am Samstag betont, er sehe keinen Grund für eine Entlassung des Verfassungsschutzpräsidenten.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der Oldenburger "Nordwest-Zeitung" mit Blick auf die SPD-Forderung nach einer Ablösung Maaßens: "Wir erwarten, dass Frau Merkel das genauso sieht und spätestens am Dienstag beim Treffen der Parteichefs von CDU, CSU und SPD die Konsequenzen ziehen wird".

SPD-Vize Ralf Stegner sagte der "Welt", der Verfassungsschutzchef sei "in seinem Amt untragbar, weil er das Vertrauen in die Sicherheitsorgane unserer freiheitlichen Demokratie massiv beschädigt hat". In der aktuellen politischen Lage sei das "ein gefährlicher Vorgang". Es sei ein "gutes Signal", wenn Merkel "diese Haltung der SPD offenkundig teilt".

CSU dementiert

Die CSU wies den "Welt"-Bericht und die Äußerungen Stegners zurück. "Es ist keine professionelle Haltung, Ergebnisse zu bewerten und zu kommentieren, die noch gar nicht eingetreten sind und die lediglich auf Mutmaßungen beruhen", sagte der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Volker Ullrich, dem "Handelsblatt". "Ich rate jedem, die morgigen Gespräche der Koalition abzuwarten."

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete einen Rücktritt Maaßens als "überfällig". Dies müsse verbunden werden "mit der grundsätzlichen Frage zu Struktur und Personal des Verfassungsschutzes". Die große Koalition sei "nur noch im Krisenbewältigungsmodus", erklärte er in Berlin. Auch die FDP bekräftigte ihre Forderung nach einer Ablösung Maaßens. Mit Blick auf den "Welt"-Bericht sagte er der Zeitung: "Die Entscheidung der Bundeskanzlerin ist richtig und konsequent." An der Spitze des Verfassungsschutzes sei "ein personeller Neuanfang nötig, um das allgemeine Vertrauen in den Inlandsnachrichtendienst zu stärken". (APA, AFP, 17.9.2018)