Szenen, die man nicht sehen möchte, die aber fast schon Tradition haben: Rapid-Hooligans jagen und werden gejagt.

Foto: GEPA pictures

Wien – Für Paul Eidenberger, den Pressesprecher der Wiener Polizei, war es ein relativ normales Derby. "Es ist leider eine Risikoveranstaltung", sagt er dem Standard. "Besonders überraschend ist das nicht." Rund 400 Beamte waren am Sonntagnachmittag zur 327. Auflage im Allianz Stadion abkommandiert. Während der Partie gab es kaum Vorkommnisse, danach wurde es freilich chaotisch.

Dutzende, teils vermummte Rapid-Fans stürmten nach dem 0:1 aufs Feld, sie rannten Richtung Austria-Sektor. Die Ordner sahen mehr oder weniger hilflos zu, erst nach einigen Minuten rückte das Polizei-Aufgebot in voller Montur an. Zu spät, sagen Kritiker, Eidenberger widerspricht: "Wir mussten das erst organisieren, es ist ja eine Sammelaktion. Für einzelne Polizisten wäre es zu gefährlich gewesen."

Jedenfalls sind diese "Helden", wie sie vom Presseprecher ironisch genannt werden, beim Anblick der Exekutive davongelaufen. Eidenberger bewertet den Einsatz letztendlich als gelungen. "Wir konnten die Fangruppen trennen, damit sie sich nicht gegenseitig die Schädel einhauen." In der Liste der Derbyausschreitungen liegen die Vorfälle ungefähr im Mittelfeld, das ist schlimm genug. Eidenberger: "Platzstürme sind aber doch eher selten." Die vorläufige Bilanz aus Sicht der Exekutive: Vier verletzte Polizisten (Prellungen, Schnittwunden), drei Festnahmen, 70 Anzeigen, davon 43 verwaltungsrechtliche und 27 strafrechtliche.

Rapid hat Ultras nicht im Griff

Rapid pflegt die Tradition des Bedauerns. In einer Aussendung am Tag danach wurde von einem gänzlich verzichtbaren Vorfall geschrieben, den niemand sehen möchte. Jegliche Form von Gewalt werde verurteilt, man verfolge eine Null-Toleranz-Strategie. Videoaufnahmen werden ausgewertet, bei klarer Identifizierung werde man Hausverbote und ein bundesweites Stadionverbote beantragen. Man wünsche den Beamten eine rasche Genesung. Es wurde betont, dass sich keinerlei Spieler, Betreuer oder andere Offizielle der Mannschaften im Gefahrenbereich aufgehalten haben.

In Wahrheit ist der Verein hilflos, er hat die eigenen Ultras nicht im Griff, man schaut der Verselbstständigung zu. Die in manchen Fällen künstlerisch wertvollen Choreografien werden gelobt, nicht selten labern Funktionäre von den besten "Fans". Vielleicht sollte einer einmal aufstehen, Tacheles reden. Aber Mut kann man in Hütteldorf nicht kaufen.

Keine Erfolge

Fakt ist: Sogar der eigene Trainer, nämlich Goran Djuricin, kann nach Spielen nicht mehr im Freien von TV-Sendern interviewt werden. Aus Furcht vor weiteren Anfeindungen. Die Wurzel des Übels liegt in anhaltender sportlicher Erfolglosigkeit, seit 2008 holen andere Mannschaften Titel, in erster Linie Red Bull Salzburg. Das Gerede vom Rekordmeister, ohne den im österreichischen Fußball gar nichts geht, nervt. Okay, der Zuschauerschnitt ist weit höher als bei den anderen, aber Quantität schafft Probleme.

Dabei ist das Derby ein richtig gutes Spiel gewesen. Djuricin kann für die Niederlage nichts, er hinterließ bei der Analyse überhaupt keinen schlechten Eindruck. "Im Fußball kommt es vor, dass der unterlegene Gegner gewinnt. Wenn wir nicht viele Chancen hätten, müsste ich mich mehr als hinterfragen. Aber natürlich, ich bin verantwortlich für die Niederlage." Rapids Ersatzkeeper Tobias Knoflach hatte nach Abpfiff Austrias Einsergoalie Patrick Pentz beschimpft. Der tröstete sich mit dem Sieg und fand Knoflach "peinlich". Djuricin hat sich für seinen Spieler entschuldigt.

Die Austria wollte sich von offizieller Seite nicht einmischen. Medienchef Christoph Pflug sagte: "Rapid muss die Probleme mit den Fans selbst lösen." Seitens der Liga droht eine saftige Geldstrafe. Im Februar wurde der damalige Austrianer Raphael Holzhauser von einem Gegenstand getroffen und verletzt. Die Westtribüne wurde für zwei Spiele gesperrt, eine Partie auf Bewährung ausgesetzt. Das dürfte nun schlagend werden. Am Donnerstag kommt Spartak Moskau ins Allianz Stadion, die Europa League beginnt. Djuricin sagte: "Wir müssen das Positive mitnehmen." (Christian Hackl, 17.9.2018)