Das Aufklärungsflugzeug Iljuschin 20 stammt aus den 70er Jahren.

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Ein russisches Aufklärungsflugzeug vom Typ Il-20 mit 15 Besatzungsmitgliedern an Bord ist laut dem Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, durch sogenanntes "friendly fire" verloren gegangen. Überlebende gab es nicht. Leichenteile und Trümmer des Flugzeugs wurden im Meer entdeckt.

Abgeschossen wurde die Iljuschin durch eine syrische Luftabwehrbatterie. Ironie des Schicksals: Ausgerechnet eine Rakete des von Russland an Bashar al-Assads Truppen gelieferten S-200-Komplexes hat das Flugzeug getroffen. Schuldzuweisungen richtete das russische Militär allerdings nicht an den eigenen Verbündeten, sondern an die israelische Luftwaffe und die französische Flotte. Israelische Bomber hatten zur gleichen Zeit Luftangriffe auf Ziele in der syrischen Stadt Latakia geflogen und waren von der syrischen Luftabwehr bekämpft worden. Die Fregatte "Auvergne" schoss unterdes in dem Sektor, in dem die Il-20 flog, Marschflugkörper, was die Lage weiter verkomplizierte.

Flugzeug als Schutzschild genutzt

Der Hauptvorwurf Konaschenkows richtet sich jedoch an Israel: "Indem sie sich hinter einem russischen Flugzeug versteckten, haben sie es ins Visier der syrischen Luftabwehr gebracht. Als Ergebnis ist die Il-20, deren effektive Reflexionsfläche um ein Vielfaches größer ist als die der F-16 vom Komplex S-200 abgeschossen worden", klagte er. Der Militärsprecher äußerte die Vermutung, dass die israelischen F-16 die Situation absichtlich herbeigeführt hätten.

Auch Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat in einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Avigdor Lieberman offiziell die Schuld für den Abschuss vollständig Tel Aviv zugeschoben. Die Handlungen Israels werte Russland als feindlich, man werde sich das Recht auf eine adäquate Antwort vorbehalten, drohte der Minister. Das Außenministerium berief am Dienstag den israelischen Botschafter in Moskau ein.

Zerreißprobe

Den bilateralen Beziehungen beider Länder droht damit eine ernsthafte Zerreißprobe. Bislang hatten Tel Aviv und Moskau trotz unterschiedlicher Ziele in Syrien einen offenen Konflikt vermeiden können. Die von Russland betriebene Stärkung der syrischen Luftabwehr war dabei allerdings immer ein Reizthema für Tel Aviv.

Premier Netanjahu war mehrfach für Geheimabsprachen mit Wladimir Putin in Moskau. Diese wurden nun durch den Vorfall ernsthaft infrage gestellt. Neben einer konsequenten Sperrung des Luftraums für israelische Kampfjets könnte Russland Israel sowohl die Kontrolle der Golanhöhen streitig machen als auch die ohnehin schon starken Positionen des Iran in Syrien weiter festigen. Beides würde in Tel Aviv als massive Bedrohung der nationalen Sicherheit aufgefasst.

In einem Telefongespräch sprach Netanjahu dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sein Beileid zum Tod von 15 russischen Soldaten aus und sah Syrien in der Verantwortung. wie das Amt des Ministerpräsidenten mitteilte. Putin wiederum schaltete am Dienstagnachmittag verbal einen Gang hinunter und ortete eine Verkettung unglücklicher Umstände. (André Ballin aus Moskau, 18.9.2018)