"Ich versuche den Prinzipien, mit denen ich in den Job gegangen bin, noch immer treu zu bleiben", sagt Armin Mösinger.

Foto: Sonne International

"Wenn man bedenkt, dass ich in meinem ersten Berufsleben als Techniker unter anderem für eine Ölfirma in Libyen unterwegs war, dann hat sich meine Arbeitswelt wirklich stark verändert. Heute bin ich seit mittlerweile acht Jahren bei Sonne International. Die Sonne – wie ich meinen Arbeitgeber nenne – ist eine österreichische Entwicklungshilfeorganisation, die sich der Unterstützung und Förderung von Kindern verschrieben hat. In Äthiopien, Bangladesch, Indien und Myanmar kümmern wir uns vor allem um Bildungsprojekte. Wir bauen Schulen und versuchen Kindern und Jugendlichen Unterricht und Ausbildung zu ermöglichen.

Im Ausland zu arbeiten hat mir gefallen, und für mich war klar, dass ich das in Zukunft machen will. Allerdings wollte ich das in einem anderen Kontext tun. Denn in den Ländern, in denen ich unterwegs war, wurden mir auch meine Privilegien bewusst – und dass ich die mit nicht so privilegierten Menschen teilen will. Genau das kann ich in meinem jetzigen Job tun.

Ich bin nach vier Jahren in meinem ersten Job also nach Wien gegangen und habe mich an der Uni für Internationale Entwicklung inskribiert. Das Selbsterhalterstipendium hat mir diese Entscheidung erleichtert. Ich komme aus keiner reichen Familie und hatte auch nicht viel Erspartes. Zusätzlich habe ich dann neben dem Studium noch geringfügig gearbeitet und alle möglichen Studentenjobs gemacht.

Praxisluft schnuppern

Zu meiner Studienzeit bin ich dann auch schon bei der Sonne eingestiegen. Ein Freund von mir hat mir beim Weggehen erzählt, dass er gerade die Homepage für die Organisation programmiert. Ich habe mir das dann angesehen, und zufällig wurden zu dem Zeitpunkt ehrenamtliche Mitarbeiter gesucht. Da hab ich mir gedacht, Praxisluft zu schnuppern, das kann nicht verkehrt sein. Heute bin ich noch immer da.

Die Sonne ist eine kleine Organisation. Gerade dieser familiäre Charakter gefällt mir. Man sitzt bei wichtigen Entscheidungen dabei und kann mitgestalten. Das Themenfeld ist breit.

Ich kann drei- bis viermal pro Jahr vor Ort Projekte besichtigen, meistens bin ich in Indien oder Bangladesch. Im November geht es das nächste Mal los zu unserem Rohingya-Projekt. Zwölf Monate vor Ort zu sein würde ich nicht wollen, schließlich habe ich hier Familie und Freunde. Ich könnte mir aber auch nicht vorstellen, nur in Wien zu sein und nie die Projekte vor Ort zu sehen. Da fehlt der Bezug zum eigenen Projekt völlig, und ein Mangel an Emotionalität ist sicher nicht gut.

Etwas bewirken wollen

Dass wir in einer Non-Profit-Organisation in vielen Bereichen ähnliche Herangehensweisen haben wie in der Privatwirtschaft, überrascht viele Leute noch immer. Auch wir machen uns Gedanken zu den neuesten Entwicklungen, zum Beispiel zur Suchmaschinenoptimierung. Wenn das Know-how intern nicht da ist, dann suchen wir nach Unterstützung von Start-ups oder anderen Unternehmen, die uns da pro bono betreuen. Das funktioniert ganz gut. Und natürlich müssen wir sehr gut wirtschaften können. Vom Spendeneuro soll so viel wie möglich ankommen.

Das Thema Geld mag auch einige Leute davon abschrecken, für eine solche Organisation zu arbeiten. War für mich das Gehalt bei meinem Jobwechsel ein Thema? Da wäre die Antwort Jein. Natürlich muss man auch von etwas leben. Aber der Umstieg vom Studium ins Berufsleben war gar nicht so arg, da ich davor auch schon bescheiden gelebt habe. Meine Motivation, etwas zu bewirken, war einfach viel größer als der Wunsch nach ein paar Hundertern mehr. Aber klar: Es gibt viele Leute, die genau so enthusiastisch reingehen und dann realisieren, dass es doch zu wenig ist.

Bei der Sonne haben wir oft das Problem, dass Jahre vergehen, bis wir ein Bildungsprojekt abschließen können. Eine Schule zu bauen ist eine Sache, aber erst der langfristige Betrieb bringt den Kinder was. Für einen laufenden Betrieb – zum Beispiel für Lehrergehälter – Finanzierungszusagen zu bekommen, ist nicht einfach. Geber wollen oft schnelle und vor allem sichtbare Ergebnisse. Aber immer, wenn man denkt, es läuft gerade nicht so gut, kommt auf einmal doch noch Unterstützung daher. Man hat in dieser Branche oft mit Bauchweh und Druck zu kämpfen, aber es geht sich immer irgendwie aus.

Prinzipien treu bleiben

Nicht nur das Auftreiben von Geld, sondern vielmehr das Verbinden von Spender und Empfänger gefällt mir. Wenn man als Vermittler beobachten kann, wie sehr sich Unterstützer über Fortschritte freuen – und natürlich auch die Kinder, die es direkt betrifft – das ist einfach wunderschön.

Seit der Migrationsgeschichte 2015 haben wir gemerkt, dass viele Firmen und Privatpersonen nun eher Projekte im Inland unterstützten. Natürlich: Wenn man die Effekte direkt vor der Nase hat, wird mehr Empathie entfacht, als wenn die tausende Kilometer entfernt in Indien sind. Eigentlich müsste die Entwicklungszusammenarbeit in diesem Kontext ja wichtiger sein als eh und je. Das spüren wir aber nicht. Ich finde auch nicht, dass Entwicklungszusammenarbeit in der Gesellschaft mehr gewürdigt wird. Momentan heißt es ja immer: Fluchtursachen vor Ort bekämpfen. Klar, wir ermöglichen den Menschen dort ein besseres Leben. Aber ich sehe das Bekämpfen von Fluchtursachen nicht als unsere primäre Aufgabe.

Ich versuche den Prinzipien, mit denen ich in den Job gegangen bin, noch immer treu zu bleiben. Es muss so viel wie möglich vom Spendeneuro ankommen. Ich will aus der Sonne keinen riesigen Verwaltungsapparat machen, wo wir mit uns selbst beschäftigt sind. Jetzt weiß ich nämlich, dass die schlaflosen Nächte jemandem zugutekommen." (Protokoll: Lara Hagen, 22.9.2018)