"Die Regierung lügt die Bevölkerung bei der Sozialversicherungsreform schamlos an", behauptet der Neos-Abgeordnete Gerald Loacker. Wie Günther Oswald im STANDARD-Faktencheck gezeigt hat, hat Loacker recht. Die behauptete Einsparung von einer Milliarde Euro durch die Fusion der Krankenkassen existiert nicht einmal auf dem Papier, die potenziellen Kostensenkungen betragen nur einen Bruchteil davon. Es ist auszuschließen, dass die Regierung das nicht weiß. Das ist die Definition einer Lüge.

Große, mittelgroße und kleine Lügen

Das sollte jedem Staatsbürger genauso Angst machen wie nächtliche Razzien im Verfassungsschutz. Die US-amerikanische Publizistin Anne Applebaum hat gerade in einem Essay im Atlantic, "Eine Warnung aus Europa", beschrieben, wie die autoritären Regierungen in Polen und Ungarn mit "mittelgroßen Lügen" arbeiten – nicht mit ganz großen wie einst Nazis und Stalinisten, aber mit absurden Verschwörungstheorien rund um den Flugzeugabsturz von Smolensk oder die Rolle von George Soros, die ständig wiederholt werden und jeden vernünftigen Diskurs verhindern. Auch Donald Trump folgt fast täglich diesem Strickmuster.

Die "Patientenmilliarde" der Regierung ist im Vergleich dazu eine kleine Lüge. Aber mit ihr hat Türkis-Blau den Boden der Message-Control verlassen und einen ersten Schritt in den Sumpf des demokratiegefährdenden Populismus getan. Sie darf damit nicht durchkommen. Man muss nicht weit schauen, um zu erkennen, wohin das führt. (Eric Frey, 18.9.2018)