Von wegen verstaubt und langweilig – mit die Anbindung der Kontos an Drittanbieter soll Banking zum Erlebnis machen.

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Man stelle sich vor, die Bank wird zum persönlichen Sekretär in Finanzfragen. Oder eigentlich fast allem, was mit Geld zu tun hat. Sie organisiert Versicherungen, hält stets nach günstigeren Anbietern für Strom oder Internet Ausschau, reserviert einen Tisch im Lieblingsrestaurant und ordert auch das Taxi für den Hinweg – und begleicht natürlich die Rechnungen. Wenn es einmal knapp werden sollte oder Anschaffungen anstehen, wird der Kreditantrag umgehend bewilligt. Oder abgelehnt. Die Smartphone-App zeigt es sofort an.

Auf Basis einer bereits umgesetzten EU-Richtlinie soll diese neue Welt in Europa bald Wirklichkeit werden, das sogenannte Open Banking. Dazu gibt die Hausbank über eine Schnittstelle persönliche oder finanzielle Daten für Drittanbieter frei, die daraus personifizierte Angebote basteln und mögliche Erträge mit dem Institut teilen. "Die Bank kann zur Lifestyleplattform werden", lautet das Fazit der Beratungsfirma AT Kearney. Durchsetzen werden sich laut Partnerin Daniela Chikova aber nur jene Anbieter, die auch für den Konsumenten wirklichen Mehrwert schaffen.

Davon wollen auch die Österreicher erst überzeugt werden. Gut drei Viertel sind gar nicht oder nur mit großen Bedenken bereit, diese sensiblen Daten zu teilen, ergibt eine internationale Studie ihres Hauses. Diese Haltung ist in Westeuropa verbreitet, was sich aber künftig ändern soll. Andere Weltregionen, auch der östliche Teil des alten Kontinents, sind bereits wesentlich aufgeschlossener.

500 Millionen Beispiele

Als fortschrittlichstes Beispiel holt Chikova jene halbe Milliarde Chinesen vor den Vorhang, die Kunden des Zahlungsdienstleisters Alipay sind. Dieser hat ihr zufolge im Verlauf von zehn Jahren ein eigenes Biotop erschaffen: 40.000 Supermärkte, eine halbe Million Restaurants und doppelt so viele Taxis sind Teil eines Netzwerks, in dem wie intuitiv angeboten, bestellt und bezahlt wird. Aber schauen dann nicht außenstehende Anbieter durch die Finger, droht eine Art Monopol? Jein, sagt Chikova sinngemäß. Mit We Chat Pay gebe es zwar einen großen Konkurrenten, aber die chinesischen Behörden hätten schon einen kritischen Blick auf die Situation geworfen.

In Westeuropa zeichnet sich ohnedies eine andere Entwicklung ab. Der Kontinent im Allgemeinen und speziell Österreich gelten als overbanked, also mit zu vielen Banken gesegnet. Zudem erwartet die AT-Kearney-Partnerin, dass auch US-Technologieriesen wie Google, Apple oder Amazon auf den Open-Banking-Zug aufspringen werden. In der EU sind auch Cross-border-Lösungen ein Leichtes, also dass ausländische Banken quasi per App in den heimischen Markt vordringen.

Werden Österreichs Banken auf der Strecke bleiben? Nicht, sofern sie den Vertrauensvorschuss der Bevölkerung nutzen. In Sachen Datensicherheit vertrauen der eigenen Hausbank nämlich derzeit laut der Studie 78 Prozent der Österreicher, aber bloß 14 Prozent Facebook, Google und Co. Kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, meint Chikova: "Es gibt eine Zeitleiste von fünf bis zehn Jahren, in der sich der Markt ändern wird und Banken eine Chance haben." Dann wird sich aus ihrer Sicht entschieden haben, wer die Gewinner sind – Finanzinstitute, Zahlungsdienstleister oder die Technologieriesen.

Spielwiese Osteuropa

Auch auf dieser Ebene kann sich nämlich das starke Osteuropa-Engagement für Österreichs Großbanken bezahlt machen, indem sie sich das Ost-West-Gefälle in Europa bei der Offenheit der Bevölkerung für Open Banking zunutze machen. Die Institute sollten "ausgesuchte Märkte als Testing Room" heranziehen, empfiehlt die AT-Kearney-Partnerin.

Zunächst gilt es für einige heimische Banken die Hausaufgaben zu machen. Deren IT-Systeme gelten oft als veraltet – und mehr auf die Bedürfnisse der Bank statt auf jene der Kunden ausgelegt. Sprich es gilt, Geld für Investitionen in die Hand zu nehmen, wobei große Geldhäuser begünstigt seien.

Zu einer großen Bereinigung im Sektor sollte Open Banking aber nicht führen – obwohl dieses auch den Hausbankwechsel erleichtert. Daueraufträge und Ähnliches werden automatisch vom neuen Institut übernommen. Wohl werde die Standortdichte weiter abnehmen und sich die Rolle der Filialen ändern. Hauptsächlich werde die Kommunikation zwischen Bank und Kunde aber auf andere Weise erfolgen, etwa über Push-Nachrichten auf das Smartphone. (Alexander Hahn, 23.9.2018)