Ist der heimische Händler an Bord, brauchen chinesische Touristen künftige nur mehr ihr Smartphone zücken und können mittels Alipay eine Leberkässemmel im österreichischen Supermarkt kaufen.

Foto: Blue Code International AG

Wien – In Europa wächst die Sorge, beim mobilen Zahlen mittels Smartphone zu sehr in die Abhängigkeit US-amerikanischer Techkonzerne zu schlittern. Sowohl die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch der Direktor der Europäischen Zentralbank, Yves Mersch, forderten kürzlich mehr Unabhängigkeit bei Bezahlsystemen. Bankomat- und Kreditkartenzahlungen werden von Unternehmen wie Visa und Mastercard dominiert, beim Mobile Payment befinden sich Paypal, Google, Apple oder Amazon mit ihren eigenen Bezahldiensten auf dem Vormarsch. Im EU-Wirtschaftsraum fehlte ein selbstentwickeltes System.

Bisher zumindest, denn die österreichische Firma Bluecode will mit einem eigenen Bezahldienst am Alten Kontinent reüssieren. "Bluecode hat sich vom reinen App-Anbieter zum gesamteuropäischen System für Zahlungen per Smartphone entwickelt. Technisch und rechtlich sind wir damit das einzige unabhängige, paneuropäische Mobile-Payment-System", sagt Geschäftsführer Christian Pirkner. Man kooperiere bereits mit mehr als 100 Banken – in Österreich etwa mit Raiffeisen in Oberösterreich und in Deutschland mit etlichen Sparkassen.

Große Partner an Bord

Um die internationale Expansion voranzutreiben, arbeitet die 2012 gegründete Firma mit bekannten Größen der Zahlungsbranche zusammen. In Europa soll die Six-Gruppe helfen, die die Kartenzahlungsabwicklung bei mehr als 200.000 Händlern in Europa organisiert. Den zweiten dicken Fisch fingen die Wiener mit dem chinesischen Zahlungsdienstleister Alipay. Mit mehr als 700 Millionen aktiven Nutzern ist Alipay Weltmarktführer beim Bezahlen mit dem Smartphone – nur mit chinesischen Kunden. Die Technologie von Alipay wurde in das Bluecode-System integriert. Somit bekommen chinesische Touristen in Europa die Möglichkeit, auf gewohnte Art und Weise mit ihrer Alipay-App einzukaufen – vorausgesetzt, hiesige Händler haben das Bezahlsystem in ihre Kassen integriert. Wie viele derartiger Kooperation Alipay in Europa bereits hat, verriet die Managerin für den mittel- und osteuropäischen Raum, Xiaoqiong Hu, bei einem Pressegespräch am Donnerstag nicht.

Bluecode-Geschäftsführer Christian Pirkner, Alipay-Managerin für Mittel- und Osteuropa Xiaoqiong Hu und Geschäftsführer von Six Payment Services Austria präsentieren das neue Geschäftsmodell.
Foto: © Blue Code International AG / Tanzer

Pirkner lobt bei der Akzeptanz den österreichischen Einzelhandel: "85 Prozent der Lebensmittelhändler haben unser System sofort übernommen, aber auch Firmen wie Hartlauer oder Hervis." Als Anwendungsfälle in Deutschland nennt er das bevorstehende Oktoberfest in München oder das Stadion des FC Köln. Überdies betont er, dass Alipay die europäische Infrastruktur nutzt und nicht umgekehrt. Es gehe schließlich darum, eine Lösung zu bieten, die den europäischen Datenschutzstandards entspricht.

Angst, dass Alipay das System als Eintritt in den europäischen Markt nutzt und Bluecode dann überrollt, hegt der gebürtige Schweizer nicht, auch Alipay-Managerin Wu spricht von einer langfristigen Kooperation.

Bezahlen per Strichcode

Die Bluecode-App ist mit dem Bankkonto des Nutzers verbunden. Beim Bezahlen wird ein einmalig gültiger Strichcode gescannt, der ein Lastschriftverfahren einleitet. Eine direkte Abbuchung, wie es bei Alipay Usus ist, gehört zu den nächsten Schritten. Dem Unternehmen zufolge werden beim Bezahlen keine persönlichen Daten gespeichert oder übertragen – Bluecode habe keine Übersicht, wer was wann kauft.

Die Zahl der aktiven Nutzer von Bluecode liegt laut Pirkner "im sechsstelligen Bereich". Als aktiv gilt ein Nutzer, wenn er in den vergangenen drei Monaten einmal mit der App bezahlt hat. 60 Prozent der Nutzer kommen aus Österreich, 40 Prozent aus Deutschland, wo das Wachstum aber stärker sei. (Andreas Danzer, 20.9.2018)