Essen soll Genuss sein: In den ersten Monaten ist der Löffel auch ein Spielzeug.

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In Bamako wissen Mütter Bescheid. Fisch, so berichten sie, ist ideal für Babys, weil leicht verdaulich und nahrhaft. Dementsprechend werden die Kleinen damit ernährt. Zum Glück liegt Bamako, Malis Hauptstadt, direkt am Fluss Niger. Der Nachschub ist also gesichert. Den Säuglingen mischt man Fisch, oft mit Kartoffeln, in ihren ersten Brei. Letzterer wiederum wird aus Reis oder Hirse zubereitet.

In Mitteleuropa hat man andere Sorgen. Hier fürchten viele Eltern die Entstehung von Allergien und halten deshalb bestimmte Speisen von ihrem Nachwuchs fern. Petra Rust, Ernährungswissenschafterin an der Universität Wien, gibt jedoch Entwarnung. "Früher hat man Fisch, Nüsse und Kuhmilch als Beikost verboten", erklärt sie, "aber das gilt nicht mehr." Nur erblich vorbelastete Kinder und solche, die gar nicht gestillt wurden, sollten auf hypoallergene Diät gesetzt werden. Für die anderen gilt: je mehr Abwechslung, desto besser.

Zu wenig Eisen

Ein paar Prioritäten sollten dennoch berücksichtigt werden. "Bei der ersten Beikost geht es vor allem darum, die Eisenspeicher des Säuglings wieder aufzufüllen", betont Rust. Die im Mutterleib über die Plazenta zugeführten Reserven reichen höchstens fürs erste halbe Lebensjahr, und in Muttermilch ist nur relativ wenig Eisen vorhanden. Experten raten, den Bedarf durch Fleisch oder Fisch auszugleichen. Deren Vorteil liegt im Blutfarbstoff Hämoglobin, wie Rust erläutert. "Häm-Eisen ist am besten verfügbar." Die traditionelle Beikost malischer Babys, Leber inklusive, entspricht also genau dem Bedarf. Als alternative, vegetarische Eisenquelle empfehlen Fachleute Hirseflocken.

Fisch indes hat noch weitere physiologische Pluspunkte. Er enthält nicht nur die lebenswichtigen Elemente Jod und Zink, sondern auch Omega-3-Fettsäuren, darunter Eicosapentaensäure (EPA) und Docosohexaensäure (DHA). Sie spielen bei der Entwicklung des Zentralnervensystems eine essenzielle Rolle. Der menschliche Körper kann EPA und DHA zwar selbst aus aAlpha-Linolensäure herstellen, dies aber nur mit geringer Ausbeute. Besser also, man nimmt die beiden Fettsäuren direkt mit der Nahrung auf. Kaltgepresstes Lein- oder Rapsöl liefert ebenfalls Omega-3-Fettsäuren, vor allem aAlpha-Linolensäure.

In Bezug auf die Eisenversorgung muss auch der Vitamin-C-Haushalt im Auge behalten werden, erklärt Petra Rust. Der Hintergrund: Die Ascorbinsäure, Vitamin C eben, reagiert mit den Eisenionen und begünstigt so ihre Absorption. Der Effekt betrifft in erster Linie Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln. Rust empfiehlt, dem Babybrei zur Verbesserung der Vitamin-C-Aufnahme püriertes Frischobst oder geringe Mengen Orangensaft beizugeben. Milch dürfe dann allerdings nicht Bestandteil sein, weil Kalzium die oben beschriebene Wechselwirkung hemmt.

Eine Frage der Kultur

Jedes Kind sollte im Alter von fünf bis sechs Monaten mit Beikost starten, doch was genau man den Kleinen bei ihrer ersten halbwegs festen Mahlzeit vorsetzt, ist nach wie vor stark kulturabhängig. "Bei uns in Österreich sind es meistens pürierte Karotten, Kürbis oder Pastinaken", sagt Rust. Möhren führen auch in Deutschland die Hitliste an, in den Niederlanden dagegen schwört man auf zerdrückte Bananen. Schön süß. US-amerikanische Babys wiederum bekommen meistens Getreidebrei – so, wie es den Eltern dort seit Jahrzehnten empfohlen wird. Diese "Cereals" sind sogar eigens mit Eisen angereichert, wie die Diätistin Anita Nucci von der Georgia State University berichtet. Über die Reihenfolge, in der man Kleinstkindern bestimmte Speisen anbietet, brauche man sich aber keine Gedanken zu machen. "Niemand, nicht mal die Weltgesundheitsorganisation WHO, macht hierfür Vorschriften."

Eine aktuelle internationale Vergleichsstudie zeigt zudem, dass Babys in den USA kaum mit Fleisch gefüttert werden. "Es scheint hier noch immer Bedenken wegen Allergien zu geben", erklärt Nucci. Die Debatte über angeblich allergene Lebensmittel ist auch hierzulande nicht vorbei, meint Petra Rust. Wissenschaftliche Daten zeigen ein anderes Bild. Laut Beikostempfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde könnte regelmäßiger Fischverzehr sogar dazu beitragen, das Sensibilisierungsrisiko zu senken.

Nur Pflanzen

Kritisch stehen Experten einer rein veganen Kinderernährung gegenüber. "Sie enthält kein Vitamin B12", sagt Rust. Auch der Muttermilch von Veganerinnen fehlt es. Ihrem Nachwuchs muss Vitamin B12 deshalb künstlich in Form von Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden. Rust betont zudem die Bedeutung einer guten Eiweißversorgung. Durch ihr Wachstum haben Babys einen deutlich höheren Bedarf als Erwachsene, erklärt sie. 13 Prozent ihrer Energiezufuhr sollte aus Proteinen bestehen. Für vegetarisch ernährte Kinder heißt das: viele Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, Vollkorngetreide und auch Eier. Nur mit Kuhmilch sollte man im ersten Lebensjahr relativ sparsam umgehen. 200 Milliliter am Tag gelten als Höchstmenge. (Kurt de Swaaf, 22.9.2018)