Lehrkräfte sollen jahrelang für dieselbe Leistung doppelt kassiert und damit der Republik einen Schaden von mindestens 1,8 Millionen Euro verursacht haben: Das ist der zentrale Vorwurf an Bedienstete der Versuchsanstalt an der Schule TGM in Wien-Brigittenau, um den sich nun die Staatsanwaltschaft kümmern muss.

41 Verdächtige sollen in die rechtswidrige Verwendung von Geldern an der Versuchsanstalt verwickelt gewesen sein. Das Bildungsministerium hat eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts auf Untreue an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt. Der Leiter der Versuchsanstalt, der zugleich auch Direktor des TGM ist, wurde vorübergehend suspendiert, gegen ihn und zwei Fachbereichsleiter wurden Disziplinaranzeigen erstattet.

Testat gegen Geld

Zu den Vorwürfen im Detail: Die Versuchsanstalt des TGM ist nicht nur für die Schüler da, Lehrende in den Bereichen Kunststofftechnik oder Bauphysik erbringen auch Leistungen für die Privatwirtschaft. Betriebe können hier prüfen lassen, ob ihre Erzeugnisse den gesetzlichen Normen entsprechen, sie können sich das per Gutachten und Testat bescheinigen lassen. Für die Testate verlangt die Versuchsanstalt Geld. Dieses Geld fließt in die Kassen der Versuchsanstalt. Gehälter, Betriebskosten und Investitionsaufwendungen werden daraus bezahlt. Bleibt dann noch etwas übrig, wird es unter den Bediensteten aufgeteilt. So weit, so rechtens.

Doppelt kassiert

Laut Ministerium haben die Bediensteten aber fixe Taxen einbehalten – noch dazu für Leistungen, die zum Teil schon durch das Lehrergehalt abgegolten waren. Die Betreffenden haben laut den Vorwürfen also doppelt kassiert.

107 der 110 Bediensteten des TGM konnten sich laut Angaben des Ministeriums über dieses Zubrot freuen – dass trotzdem nur 41 Personen bei der Staatsanwaltschaft angezeigt wurden, erklärt Andreas Berger, Leiter der Internen Revision im Bildungsministerium, damit, dass nur bei ihnen der Verdacht auf Doppelbezahlung bestehe. Gegen zehn von ihnen bestehe der Verdacht, "in besonderem Ausmaß in die Missstände involviert zu sein". Lehrkräfte der Versuchsanstalt waren für den STANDARD am Freitag zu keiner Stellungnahme bereit: Man sei vom Ministerium angewiesen worden, nicht mit Medien zu sprechen, hieß es. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Schaden wohl weit größer

Der Schaden wird derzeit mit mindestens 1,8 Millionen Euro beziffert, er könnte laut Ministerium aber um einiges höher sein: Die Finanzprüfung des Bildungsministeriums hat nämlich nur die vergangenen drei Jahre untersucht. Wäre die Praxis schon seit sechs Jahren im Gange, dann wäre der Schaden also mindestens doppelt so hoch.

Dass das Geldabzweigen am TGM schon länger als drei Jahre Usus sein dürfte, bestätigte indirekt auch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) in einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Freitag: Die Wahrscheinlichkeit, dass die rechtswidrige Praxis erst vor drei Jahren begonnen habe, sei gering, so Faßmann, der jedoch betont, dass das TGM "ein ausgesprochen starker Schultyp" sei. Die Vorwürfe würden sich nur auf die der Schule angegliederte Versuchsanstalt beziehen, nicht auf die Schule selbst.

Nun wird geprüft, ob abseits vom TGM auch andere Versuchsanstalten ähnliche Praktiken etabliert haben: Erst am Freitag wurden die Leiter der 18 anderen Versuchsanstalten informiert, dass sie ihr Rechnungswesen für die Interne Revision öffnen müssen. Sollten sich auch dort Vorwürfe erhärten, wäre der Schaden noch weit größer.

Eine Ministeriumsmitarbeiterin, der Unregelmäßigkeiten aufgefallen waren, hatte die Ad-hoc-Prüfung der internen Revision ausgelöst. "Weil ich ein vorsichtiger Mensch bin", so Faßmann, habe er danach auch noch die Finanzprokuratur und eine Anwaltskanzlei mit zusätzlichen Prüfungen beauftragt. Finanzprokuratur-Chef Wolfgang Peschorn kündigte an, dass sich die Republik, sollte es zu einem Strafverfahren kommen, als Privatbeteiligte anschließen und Geld zurückverlangen werde.

Unklarer Erlass

Dienstrechtliche Konsequenzen müssen übrigens auch zwei Beamte des Ministeriums befürchten. Ihnen wird mangelnde Kontrolle vorgeworfen. Sie könnten sich jedoch auf einen Erlass berufen, der aus dem Jahr 2014 stammt: In ihm, so Revisionsleiter Berger sinngemäß, wird die grundsätzlich eindeutige gesetzliche Regelung bezüglich Zusatzeinnahmen von Lehrkräften verwässert. Dieser Erlass soll nun nachgeschärft werden. (Maria Sterkl, 21.9.2018)