Samstagfrüh am Weg zum Parteipräsidium: Die ehemalige Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner wurde auch von Christian Kern für seine Nachfolge favorisiert.

Foto: Fischer

Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures wollte nicht SPÖ-Chefin werden.

Foto: Fischer

Wien – In einer kurzfristig einberufenen Sitzung des SPÖ-Präsidiums wurde die frühere Gesundheits- und Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner Samstag früh zur neuen Parteivorsitzenden der SPÖ designiert – und zwar einstimmig.

SPÖ-Präsidium nominiert Rendi-Wagner
ORF

Die für 9 Uhr anberaumte Sitzung des Präsidiums wurde kurzfristig von der Parteizentrale ins Wiener Rathaus verlegt – offenbar wollte die Partei sich zu viel Medientrubel ersparen. Definitiv beschlossen wird die Nominierung Rendi-Wagners für die Wahl am Bundesparteitag am 23. November vom Parteivorstand am Dienstag. Rendi-Wagner will erst nach dieser Sitzung ausführlich Stellung nehmen.

Auf dem Weg zum Präsidium sagte Rendi-Wagner nur, dass es eine "große Ehre" für sie sei, die SPÖ in diesen "turbulenten Tagen" zu übernehmen.

"Mit Virtuosität"

Ob Rendi-Wagner in der Partei personelle Änderungen vornehmen wird, ließ sie offen. Deutlicher wurde Noch-Parteichef Christian Kern in einem Pressestatement am Samstag nach der Sitzung. "Sie wird ihr eigenes Team zusammenstellen, und ich bin überzeugt, dass sie das mit Virtuosität tun wird", sagte Kern.

Das Parteipräsidium am Samstag hatte länger als geplant gedauert. Daraus zu schließen, dass man den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig überzeugen musste, der zuvor eine Präferenz für die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures hatte durchklingen lassen, erklärt Kern zur reinen "Verschwörungstheorie". Es sei "viel, viel banaler als es konstruiert wird: Michi Ludwig hat sich vollumfänglich zu ihr bekannt", sagte Kern.

Rendi-Wagner sei nicht nur die zweit- oder drittbeste Option, so Kern. Medienberichte über Absagen der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures oder dem burgenländischen SPÖ-Vorsitzenden und Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil "habe ich beim besten Willen nicht nachvollziehen können" – die designierte Parteichefin sei "tatsächlich die erste Wahl".

Bessere Lage als 2016

Kern glaubt, dass seine Nachfolgerin es einfacher haben werde als er, der die SPÖ in einer Zeit der Krise übernommen habe: 2016 seien alle sozialdemokratischen Parteien Europas "ins Rutschen gekommen", die SPÖ sei in Umfragen unter 20 Prozent gelegen. Inzwischen habe man "die Zustimmung deutlich vermehrt". Zudem sei Rendi-Wagner nicht in der schwierigen Situation, neben einer Parteikrise auch eine Regierungskrise zu meistern. "Sie hat die Chance, besonnen eine Oppositionsstrategie zu entwickeln", so Kern. Und Rendi-Wagner sei "hervorragend geeignet" für diese Funktion, weil sie nicht nur fachliches Wissen und soziale Kompetenz verbinde, sondern auch, weil sie "alles, was eine Sozialdemokratin auszeichnet, in ihrer persönlichen Überzeugung vertritt". Rendi-Wagner stehe "für ein völlig anderes Menschen- und Weltbild als (Bundeskanzler, Anm.) Sebastian Kurz".

Dass sein plötzlicher Abgang der Partei schaden wird, schließt Kern nicht aus. "Vielleicht werden die Umfragen jetzt eine Woche schlecht sein. Aber das ist auch nur temporär", erklärte Kern. "Es war nicht optimal, aber am Ende war es meine persönliche Entscheidung. Wenn du zwei Jahre in der Politik gewesen bist, entstehen Narben, Herausforderungen", meint der Ex-Bundeskanzler. Rendi-Wagner hingegen "kann unbelastet hineingehen".

Zu seiner eigenen Zukunft hielt sich Kern bedeckt: Ob er bis zur Europawahl im Nationalrat bleiben werde, sei ebenso offen wie die Frage, was passiere, sollte er nicht als Spitzenkandidat der Europäischen Sozialdemokraten aufgestellt werden. Dass er als einfacher Abgeordneter ins EU-Parlament gehen wird, ist für Kern offenbar noch nicht fix. Nur eines stehe fest: "Ich gehe nicht zur Strabag und auch nicht zu Gazprom."

Nach und nach Unterstützungserklärungen

Vor dem Wochenende war alles auf einmal sehr schnell gegangen. Nachdem Bures am Freitagvormittag noch einmal öffentlich deponiert hatte, nicht als neue SPÖ-Chefin zur Verfügung zu stehen, haben die roten Landesgruppen nach und nach Unterstützungserklärungen für die ehemalige Gesundheitsministerin Rendi-Wagner abgegeben.

Rendi-Wagner im Porträt
ORF

Die ersten waren die Burgenländer, denen zuletzt noch nachgesagt wurde, keine Freude mit der 47-Jährigen zu haben. Das Landesparteipräsidium sprach sich einstimmig für Rendi-Wagner aus. Wenig später kam das offizielle Ja der Wiener Landesgruppe, die ebenfalls als Befürworterin von Bures galt. Inzwischen hatten auch die roten Gewerkschafter Rendi-Wagner volle Rückendeckung zugesagt.

Der Wechsel war notwendig geworden, weil der bisherige Parteichef Christian Kern am Dienstag seinen Rückzug aus der Innenpolitik und seinen Wechsel ins EU-Parlament angekündigt hatte. Kern entschuldigte sich am Freitag bei den SPÖ-Mitgliedern für die Vorgänge der vergangenen Tage. Die Information, dass er als Parteichef geht, war vorab über eingeweihte Parteifreunde an Medien weitergegeben worden – für die meisten kam der Schritt dadurch völlig überraschend, die rote Kommunikation verlief chaotisch.

Quereinsteigerin und Kern-Vertraute

Rendi-Wagner galt schon da sofort als Kerns Favoritin für seine Nachfolge. Am Freitagnachmittag hatten sich auch die roten Landesorganisationen in Niederösterreich und Salzburg offiziell für sie ausgesprochen, aus den anderen Bundesländern wurde Zuspruch bekundet. Der nächste Parteitag ist allerdings erst für Ende November angesetzt, dort wird dann die offizielle Wahl erfolgen.

Die Wienerin Joy Pamela Rendi-Wagner wurde von Kern 2016 in sein Regierungsteam geholt. Erst wenige Tage vor ihrer Angelobung trat sie der SPÖ bei. Ihre Gegner kreiden ihr an, dass sie in der Partei zu wenig vernetzt sei. Der 47-Jährigen fehle die "Hausmacht". Jedenfalls ist die promovierte Medizinerin und langjährige Sektionschefin im Gesundheitsministerium eine enge Vertraute Kerns.

Erste Frau an roter Spitze

"Es übernimmt mit Pamela Rendi-Wagner erstmals eine Frau die Position als Vorsitzende der SPÖ, und diesen Weg befürwortet die Wiener Partei, die sich immer besonders für die Frauenförderung eingesetzt hat und dies als positives Signal wertet", erklärte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig in einer Stellungnahme.

Analyse von Peter Filzmaier.
ORF

Bures dürfte sich nicht überreden haben lassen, die SPÖ-Spitze zu übernehmen. Am Freitag erklärte sie in einer schriftlichen Stellungnahme ein zweites Mal und damit endgültig: "Mein Platz ist im Präsidium des Nationalrats." Sie galt als Wunschkandidatin der östlichen Bundesländer, ist eine Ludwig-Vertraute und Parteikennerin. Ihr wird nachgesagt, an einer Hofburg-Kandidatur interessiert zu sein, die mit der Rolle als SPÖ-Chefin nicht gut vereinbar gewesen wäre.

Aufregung gibt es indes über einen Tweet von Niko Kern, Sohn des Ex-Kanzlers und bald Ex-Parteichefs Christian Kern, über die Zustände in der SPÖ: "Mit einem Söldnerheer, welches nur sich selbst, oder gar einem fremden Herren dient, lässt sich keine Schlacht gewinnen. Ich will nicht sagen, dass es nun nach Jakobiner Methoden verlangt, aber Aufräumarbeiten sind nun wichtiger denn je!", schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Anschließend wünschte er der designierten Chefin Pamela Rendi-Wagner "Viel Glück" und "starke Nerven." (Katharina Mittelstaedt, Maria Sterkl, red, 22.9.2018)