Am Freitag hat Apple sein neues iPhone auf den Markt gebracht. Diesmal gibt es zwei Varianten – das iPhone XS und seinen größeren Bruder XS Max. Das Unternehmen verspricht eine neue Gestensteuerung, Entsperrung durch Gesichtserkennung, eine erhöhte Performance, eine bessere Kamera und mehr Integration von künstlicher Intelligenz. Zudem soll der Akku ein weniger besser sein als jener des Vorjahresmodells. Der STANDARD hat das iPhone XS Max nun getestet.

Foto: DerStandard/Muzayen Al-Youssef

Aus der Android-Perspektive

Vorab sei angemerkt, dass die Autorin dieses Artikels bis auf einen kurzen Abstecher vor mehreren Jahren durchgehend Android-Smartphones nützt. Die meiste Zeit hat sie zu Samsungs Galaxy-Note-Reihe gegriffen, zeitweise zu Huaweis P-Serie. Daher soll dieser Test auch beleuchten, ob es mit dem iPhone XS und den Features, die das Gerät mitbringt, nun einen wirklichen Grund gibt, das breite Angebot, das Android bietet, zu verlassen und für den alltäglichen Gebrauch zu Apple zu wechseln.

Das Design des iPhone XS Max (Aussprache: "Ten-S Max") begeistert vor allem auf der Vorderseite. Das Gerät hat, wie schon der Vorgänger, einen "Notch", also eine Einkerbung am oberen Bildschirmrand, in der Frontkamera, Sensoren und Ohrhörer eingebaut sind. Auch fiel auf, dass Benachrichtigungen – etwa über neue Chatnachrichten – nicht dauerhaft auf dem Bildschirm aufscheinen, sondern erst beim Öffnen der Benachrichtigungsleiste eingesehen werden können.

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Fingerabdruckmagnet

Die Rückseite des Geräts besteht aus Glas, der Rahmen aus Metall. Insgesamt macht die Kombination einen edlen Eindruck, wäre nicht die Tatsache, dass innerhalb kürzester Zeit Fingerabdrücke bei Licht deutlich zu sehen waren.

Auch steht die Kameralinse etwas heraus, was bei der Ablage auf dem Tisch dazu führt, dass das Handy uneben liegt und etwas wackelt. Zwar ist anzunehmen, dass die meisten User eine Hülle nutzen werden, dennoch verliert das Gerät dadurch an Ästhetik.

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Großartiger Bildschirm

Das neue OLED-Display ist enorm farbintensiv. Bei einer Bildschirmdiagonale von 6,5 Zoll (XS Max) bietet das Gerät scharfe 2.688 x 1.342 Pixel und eine sehr gute Helligkeit, die auch bei grellem Sonnenlicht überzeugt. Das reguläre XS bietet 5,8 Zoll und 2.436 x 1.125 Pixel.

Die Handys unterstützen HDR10 und Truetone, was eine detailreiche Wiedergabe von Filmen bedeutet. Das fällt etwa beim Streamen von Netflix-Filmen, die in HDR verfügbar sind, auf. Unangefochtener König in dem Bereich bleibt mit dem Bildschirm des aktuellen Galaxy Note 9 dennoch Samsung, auch wenn das iPhone XS Max hier ebenfalls ein hervorragendes Display bietet, das vor allem Apple-Fans, die sich einen großen Bildschirm wünschen, überzeugen könnte.

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Flott

Woran es bei fast keiner iPhone-Präsentation in der Vergangenheit gefehlt hat, sind große Versprechen, so auch bei dem neuen Chip, dem A12 Bionic. Dieser soll bis zu 50 Prozent mehr Leistung als beim Vorgänger, dem iPhone X, bieten. Bei leistungsintensiven Apps wie etwa Spielen zeigt sich auch, dass Apples Chips zu den besten am Markt gehören. Dank des guten Bildschirms und der flotten Leistung machen Mobile Games auf dem Gerät sehr viel Spaß.

Apple hat angekündigt, dass die Maschinenlernschnittstelle Core ML erweitert wird. App-Entwickler sollen künftig ohne allzu großen Leistungsaufwand die Möglichkeit haben, neuronale Netzwerke zu integrieren. In der Praxis lässt sich das jedoch nicht testen, da es schlicht noch keine Anwendungen gibt.

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Selbe Methode wie Google

Neu dazu kommt zudem eine neue Version der "Neural Engine" als Teil des Chips, die KI-Prozesse abarbeiten soll. Unter anderem soll "Smart HDR" bessere Fotos bieten, indem mehrere Fotos gleichzeitig mit unterschiedlicher Belichtung aufgenommen und mittels künstlicher Intelligenz zu einem zusammengelegt werden. Etwa bei Nachtfotos soll das, ähnlich wie beim Google Pixel 2, qualitativ hochwertigere Bilder bieten, aber auch sonst sollen weniger Details verloren gehen.

Gute Kamera

Hierfür kommen als Hauptkamera zwei 12-Megapixel-Sensoren mit einer f/1.8 und f/2.4-Blenden zum Einsatz (Weitwinkel und Telefoto), die Frontkamera bietet f/2.2. In diesem Bereich gibt es nichts auszusetzen – die Kamera reagiert flott und bietet eine gute Farbwiedergabe, wobei diese manchmal ein wenig zu unrealistisch intensiv wirkt.

Der Porträt-Modus erlaubt iPhones, Bilder mit Hintergrundunschärfe zu kreieren. Ähnlich wie schon bei anderen Herstellern schwächelt diese leider bei Details, etwa dem Fell eines Tieres, und wirkt demnach auf den ersten Blick zwar beeindruckend, bei weiterer Betrachtung aber ein wenig unnatürlich.

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Geschmackssache

Grundsätzlich gilt zu bedenken, dass die Kameras der meisten großen Flaggschiffe – Samsung, Huawei, Google und eben Apple – sich mittlerweile vor allem in den Details unterscheiden und es hier auch oft auf den Geschmack des Nutzers ankommt. Lediglich bei Nachtbildern behalten Google (Pixel 2) und Huawei (P20 Pro) die Nase vorne, wobei Apple (wie auch Samsung) mit dem neuen iPhone langsam anknüpft.

Kein Adapter und kein Schnellladen

Ein wenig irritierend ist, dass Apple bei dem neuen iPhone den Adapter für den regulären Kopfhöreranschluss gänzlich aus dem Lieferumfang gestrichen hat. Wer also nun keine Bluetooth-Hörer oder Apples Airpods oder Earpods verwendet, muss künftig zehn Euro ausgeben, um einen Lightning-auf-3,5-mm-Kopfhöreranschluss-Adapter zu erwerben – eine Entscheidung, die Kopfschütteln auslöst. Ebenso unverständlich ist, wieso Apple ein Gerät, das (mindestens) 1.149 Euro kostet, ohne Schnellladegerät ausliefert.

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Akku

Das iPhone XS Max bietet einen Akku mit einer Kapazität von rund 3.200 mAh, das reguläre XS kommt auf rund 2700 mAh. Trotz relativ intensiver Nutzung (Kamera, Telefon, teilweise Streaming) schaffte das Gerät es durch den Tag und musste erst nach ungefähr zehn Stunden wieder aufgeladen werden.

Preis

Wohl einer der zentralsten Kritikpunkte an Apples neuen Geräten ist der Preis. Das iPhone XS und das XS Max bieten entweder 64, 256 oder 512 GB Speicher, dazu gibt es 4 GB RAM. Ersteres kostet in seiner günstigsten Variante 1.149 Euro, Letzteres wird ab 1.249 Euro angeboten. Somit ist der Preis des Apple-Spitzenmodells innerhalb von nur zwei Jahren um 400 Euro gestiegen – das iPhone 7 kostete 2016 noch 759 Euro.

Der Wechsel

Nach Jahren bei Android auf iOS zu wechseln war überraschend einfach, weil die beiden Betriebssysteme sich in ihrer Handhabung weitaus ähnlicher sind, als man erwarten würde. Lediglich die ständige Anbindung an die eigenen Dienste nervte auf Dauer, gerade hier zeigt sich, wie sehr Apple versucht, Kunden an das eigene Ökosystem zu binden – sei es mit Apple Music, der iCloud oder anderen Angeboten. Letztlich ist das aber ein großer Punkt, der das Angebot des Unternehmens ausmacht. Wer mehrere Geräte besitzt, kann diese miteinander vernetzen: Je nachdem, wonach man sucht, kann das als großes Plus für Apple betrachtet werden, sofern man bereit ist, den Preis zu bezahlen, den die Firma dafür verlangt.

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Auch ist Siri, Apples smarte Assistentin, zwar weitaus intelligenter als Samsungs Bixby, welcher bis heute keine deutsche Sprachausgabe bietet, aber nicht viel funktionstüchtiger als der Google Assistant. Neu bei iOS 12 dazugekommen ist auch etwa die App Bildschirmzeit, die eine Übersicht und Steuerung des eigenen Nutzungsverhaltens bietet. Diese empfiehlt sich gerade dann, wenn man die eigene Smartphonenutzung zurückschrauben möchte. So ist es möglich, einzugehen, wie lang und auf welche Weise man sein Gerät verwendet – eine sehr nützliche Erkenntnis, die mitunter überraschen kann. Zudem können User Nutzungsgrenzen anlegen.

Apple bringt das ARKit 2.0 mit an Bord, welches eine Maßband-App standardmäßig mit ausliefert. Sie erlaubt es, Gegenstände mit der Kamera abzumessen. Absolute Genauigkeit ist zwar nicht zu erwarten, jedoch funktioniert die Anwendung erstaunlich gut (Hier finden Sie alle Neuerungen von iOS12).

Foto: screenshot/derstandard

Fazit

Insgesamt ist das iPhone ohne Frage eines der besten Smartphones, welche aktuell am Markt sind. Sowohl Hardware wie auch Software befinden sich in der Spitzenliga. Die meisten Kamerafotos, egal ob mit Haupt- oder mit Selfiekamera, sind absolut solide, auch die Leistung und die Akkulaufzeit fielen positiv auf. Lediglich der mittlerweile enorm hohe Preis könnte für viele Kunden die Achillesferse des neuen iPhones darstellen. Apples Geräte waren nie bekannt dafür, günstig zu sein, jedoch erreichen die neuen Smartphones Kostenbereiche, die längst alle Rekorde brechen. Und das ist leider der einzige Rekord, den das diesjährige iPhone bricht – denn sonst kann es nichts, was andere Flaggschiffe nicht auch können und brilliert auch in keinem einzigen der Bereiche, die getestet wurden.

Nun stimmt es, dass Smartphones, wohl auch wegen Apples Vorreiterfunktion, allgemein teurer geworden sind und auch andere Hersteller mittlerweile Geräte um 1.000 Euro und mehr verkaufen – jedoch "leiden" Smartphones von Unternehmen wie Samsung und Huawei im Vergleich dazu an einem enormen Preisverfall, der dazu führt, dass die Handys nur wenige Monate nach ihrer Veröffentlichung viel günstiger erworben werden können. Bei Apple-Geräten war das bisher nicht auf diesem Niveau der Fall. Zudem bieten die meisten dieser Hersteller gute Alternativen im Mittelklasse-Bereich, die nur kleine Abstriche machen.

Einem Apple-Nutzer, der sich schon im Vorjahr das iPhone X gekauft hat, ist das Gerät nicht zu empfehlen. Ein Killerfeature, das den Umstieg von Android rechtfertigen würde, gibt es auch nicht. Und für jene, die sich in diesem Jahr sowieso ein neues iPhone kaufen wollen, stellt sich die Frage, ob es sich nicht eher lohnt, auf den Release des iPhone XR zu warten, das sehr ähnliche Hardware für weniger Geld bringen soll.

Erste Tester bezeichneten das XR als "Premium für alle" – wobei auch hier die preislichen Dimensionen kritisch zu beäugen sind. Um 849 Euro gibt es eine Art "Budget-iPhone", das etwa das iPhone SE ersetzen soll – ein Preis, den andere Hersteller für Flaggschiffe mit ähnlichen Spezifikationen wie jenen des iPhone XS verlangen. (Muzayen Al-Youssef, 23.9.2018)

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Testfotos

Tageslicht
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Kunstlicht
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Tageslicht (Close-Up)
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Porträt-Modus mit Hintergrundunschärfe-Effekt
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Tageslicht
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Frontkamera
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Gemischte Lichtsituation
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Nachtaufnahme
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