Weniger Wehrdienst-, mehr Zivildienststellen!

Foto: apa/HANS KLAUS TECHT

"Als Zivildienstleistender beim Roten Kreuz erbringst du einen wertvollen Beitrag zum Gesundheits- und Sozialwesen Österreichs", heißt es auf der offiziellen Website der dominantesten Rettungsorganisation unserer Republik. Der Zivildienst bei oberösterreichischen Rettungsorganisationen stellt jedoch teils unmögliche Anforderungen an junge Erwachsene.

Wenn der Notfall eintritt, erwartet der Normalbürger top ausgebildetes und kompetentes Sanitätspersonal. Die Realität sieht oftmals leider anders aus. Als Konsequenz mangelnder Ressourcen in puncto beruflicher Mitarbeiter und kompetenter Notfallsanitäter müssen regelmäßig junge, teils weitgehend unerfahrene Zivildiener allein lebensgefährdete Notfallpatienten behandeln.

Kurzausbildung statt jahrelanger Erfahrung

Egal ob ehrenamtliche Mitarbeiter, Zivildienstleistende, Praktizierende eines freiwilligen sozialen Jahrs oder Berufsfindungspraktikanten – jede Einzelperson, die eine Ausbildung zum Rettungssanitäter anstrebt, durchläuft die gleich praktische sowie theoretische Ausbildung. Wer die Ausbildung einmal erfolgreich durchlaufen hat, kann das Amt des Rettungssanitäters über Jahrzehnte hinweg ausüben, solange die jährlichen, überwiegend anspruchslosen Pflichtschulungen absolviert werden.

Im Falle eines Zivildieners reichen ein Monat theoretische Ausbildung und ein Monat als Sanitätspraktikant, um danach eigenständig mit einem zweiten Zivildienstleistenden ein Einsatzfahrzeug zu besetzen, so die Erfahrung in Oberösterreich. Das anfänglich erworbene Kurswissen soll Tag für Tag abrufbereit sein. Dabei werden aber keinesfalls dienstliche Zeitfenster geschaffen, in denen Sanitäter ihr Wissen praktisch und theoretisch unter Aufsicht geschulten Lehrpersonals festigen könnten. Vielmehr soll der zivildienstliche Idealsanitäter nach zwei Monaten des Lernens und Zusehens über dasselbe Können und Sanitätswissen verfügen wie langjährige berufliche Sanitäter.

48 Stunden Normalarbeitszeit

Je nach Ausbildungsbeginn leistet ein österreichischer Zivildiener als Sanitäter sieben bis acht Monate lang Dienste mit 48 Stunden Normalarbeitszeit pro Woche. Die vorangegangene Ausbildungszeit beträgt etwa 100 Stunden im Sanitätskurs und 160 Stunden als beaufsichtigter Praktikant. Hinzu kommen noch weiters unbezahlte, aber unbedingt notwendige Fahrzeugchecks, die täglich etwa 20 Minuten vor Arbeitsbeginn getätigt werden müssen, sowie unvorhergesehene Überstunden.

Wer denkt, als Zivildiener hätte man bequeme Arbeitszeiten, der irrt: Feiertage existieren für Präsenzdienstleistende ebenso wenig wie tageweiser Urlaub. Ortsabhängig müssen Nachtdienste und Wochenenddienste absolviert werden. Der Urlaubsanspruch von zwei Wochen darf meist nur ganzwöchentlich getätigt werden. Absolviert der Rettungssanitäter eine nicht selten obligatorische Einsatzlenkerausbildung, so muss der nötige Zeitaufwand in der Freizeit erfolgen. Hierbei sollte man erwähnen, dass junge Rettungssanitäter mit einer nur geringen Stundenausbildung und einer bestehenden Führerscheinzeit von wenigen Jahren dazu befähigt sind, einen Rettungswagen unter Einsatz von Blaulicht auf oberösterreichischen Straßen zu lenken.

Verantwortung sprengt den Rahmen

Jene jungen Sanitäter, deren Ausbildungswerdegang hier kurz beschrieben wurde, tragen Dienst um Dienst eine sehr hohe Verantwortung. Man stelle sich vor, das eigene verunfallte Kind, die herzkranke Großmutter oder der krampfende Ehemann werden von zwei unerfahrenen Zivildienern versorgt.

In den meisten urbanen Gebieten wird im Extremfall sofort ein Notarztteam als Primärversorger mitalarmiert. Nicht selten allerdings ist das Sanitätsteam als erste Versorgungseinheit vor Ort und muss lebensrettende Sofortmaßnahmen setzen. Dies reicht in Notszenarien von Reanimationen bis hin zur richtigen Arbeitsweise bei einem Verkehrsunfall oder Sturz, um Rückenmarksverletzungen und jegliche zukünftige Einschränkung in der Lebensqualität des Patienten zu vermeiden.

Schlüsselkomponente Finanzierung

Durch die Übertragung dieser Verantwortung an "Zivis", wie es umgangssprachlich heißt, kann der Personalmangel kompensiert und folglich durchaus eine stark zeitverkürzte Hilfeleistung und Notfallbetreuung gewährleistet werden. Nicht den sanitätsdienstlichen Zivildienst im Allgemeinen gilt es zu kritisieren, sondern die Umsetzung. Die eigentliche Imponderabilität des oberösterreichischen Rettungswesens zeigt sich in einer viel zu kurzen Ausbildungsphase und einem verfrühten Einsatz der Rettungssanitäter in der Landschaft der Präklinik.

Was wäre, wenn man im Zuge einer Präsenzdienstreform überflüssige Wehrdienststellen limitieren und dafür notwendige neue sanitätsdienstliche Stellen schaffen würde? So könnten beispielsweise die Ausbildungszeiten als lernender Praktikant stark verlängert werden. Darüber hinaus sollten Denkprozesse in Richtung verstärkter Finanzierung für berufliche Mitarbeiter und Notfallsanitäter erfolgen. Schließlich hat in einer Extremsituation jeder die bestmögliche Hilfeleistung verdient. (Meno Touis, 27.09.18)