Wien – Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) blieb in der Causa der internen E-Mail aus dem Innenministerium (BMI) an die Polizeipressesprecher lange in Deckung. Vonseiten seiner Pressesprecherinnen gab es am Dienstag neuerlich keine Reaktion auf die Bitte um eine Stellungnahme. Erst um 17.31 Uhr, als die ersten Ausgaben der Tageszeitungen bereits in Druck waren, veröffentlichte das Innenministerium eine Presseaussendung.

"Nach dem gestern bekanntgewordenen Schreiben von BMI-Sprecher Christoph Pölzl, das zu einer medialen Debatte über eine angeblich beabsichtigte Einschränkung von Informationen gegenüber Medien geführt hat, führte Innenminister Herbert Kickl mit dem Verfasser heute ein klärendes Gespräch. 'Die Pressefreiheit ist unantastbar und ein wesentlicher Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Ein vertrauensvoller Umgang mit allen Medien ist mir wichtig, gerade angesichts der sensiblen Materien, mit denen wir im Innenressort zu tun haben. Eine Einschränkung der Pressefreiheit ist absolut undenkbar. Christoph Pölzl hat mir versichert, dass eine solche auch in keiner Weise Intention seines Mails an die Kommunikationsleiter in den Landespolizeidirektionen war', so der Innenminister", ist zu lesen. Und: "Die Formulierungen bezüglich des Umgangs mit 'kritischen Medien' finden nicht meine Zustimmung."

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat fast 24 Stunden zur Affäre um eine interne Mail aus seinem Ministerium geschwiegen. Nun ließ er mitteilen, dass er die "Formulierungen zum Umgang mit 'kritischen Medien' nicht teile".
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Kritik von höchsten Stellen

Davor gab es Kritik am Innenministerium von höchsten Stellen: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte am Rande der UN-Generalversammlung in New York, es dürfe durch Kommunikationsverantwortliche keine Ausgrenzung gewisser Medien geben. "Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel."

Dass das Innenressort eine neue Kommunikationsrichtlinie angekündigt habe und eine faire Zusammenarbeit mit allen Medien anstreben will, hält Kurz für richtig. Nachsatz: "Die Ausgrenzung oder der Boykott von ausgewählten Medien darf in Österreich nicht stattfinden. Das gilt für die Kommunikationsverantwortlichen aller Ministerien und öffentlichen Einrichtungen."

In diese Richtung argumentiert auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der ebenso am UN-Gipfel teilnimmt. "Die Freiheit der Meinungsäußerung, die Medien- und Pressefreiheit sind Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie und unseres Rechtsstaates in Österreich. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist inakzeptabel", betonte Van der Bellen in einer Aussendung. "Jedes Medium sollte den gleichen, freien Zugang zu Informationen haben, eine Diskriminierung einzelner Medien darf nicht vorkommen." In der ZiB2 des ORF erklärte er, er sehe die Affäre als zumindest "vorläufig erledigt" an. "Wichtig ist, dass das Innenministerium sieht, hier ist tatsächlich ein Fehler passiert", so der Bundespräsident.

Ob er Österreich mit solchen Vorgängen auf dem Weg in eine Diktatur sehe, verneinte Van der Bellen: "Ich glaube, wir sind noch nicht auf dem Weg in eine Diktatur. Vorsichtig mit solchen Aussagen. Die würden wir ja brauchen, wenn es wirklich so weit wäre." Die Vorgänge aufzuklären, sei nun Sache des Parlaments und nicht unbeding die des Bundespräsidenten.

Immer wieder selektive Information

In der Realität ist das allerdings öfters der Fall. Auch im Kanzleramt von Sebastian Kurz kommt es immer wieder vor, dass STANDARD-Anfragen nicht beantwortet werden oder selektiv informiert wird. Jüngstes Beispiel war die Krankenkassenreform, zu der im Kanzleramt ein Hintergrundgespräch stattfand. DER STANDARD wurde von Informanten darüber informiert, dass der Termin stattfindet, durfte aber trotz Nachfrage im Kurz-Büro nicht teilnehmen. Die Begründung: Man behalte sich vor, welche Medien man zu derartigen Terminen einlade.

Über die heurige Pensionserhöhung, die im August beschlossen wurde, wurden dem STANDARD am Tag vor dem Ministerrat trotz Nachfrage nähere Informationen über die Höhe verweigert. Die Details wurden dann gezielt über einige Medien sowie am nächsten Tag über die Austria Presse-Agentur verbreitet. Auch im Justiz- und Sozialministerium ist es keine Seltenheit, dass Anfragen ignoriert werden beziehungsweise erst beantwortet werden, wenn eine Geschichte bereits veröffentlicht wurde. Vereinzelt ist das zwar unter früheren Regierungen auch vorgekommen, hat im Ausmaß aber definitiv zugenommen.

Ressort dementiert Unbehauptetes

Im Nationalrat wird sich Kickl am Mittwoch verantworten: Die Neos planen eine dringliche Anfrage an den Innenminister, die Liste Pilz wird ebenso eine 50 Punkte umfassende Anfrage an Kickl einbringen und einen Misstrauensantrag gegen ihn stellen. Auch die SPÖ legt Kickl den Rücktritt nahe. Bei einigen Tagesordnungspunkten wird Kickl sich jedoch von Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) vertreten lassen. Was bemerkenswert ist, da Edtstadler am Dienstag auf Distanz zu dem Schreiben gegangen ist, in dem Ressortsprecher Christoph Pölzl den Leitern der Polizeipressestellen "vorschlägt", die Kommunikation mit STANDARD, "Kurier" und "Falter" "auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken".

Die wichtigsten Infos zur neuen Kommunikationspolitik des Innenministeriums.
DER STANDARD

Im Innenministerium rückte dagegen der Leiter der Kommunikationsabteilung, Alexander Marakovits, zur Verteidigung aus. Dessen beide Presseaussendungen stellen aber Dinge klar, die DER STANDARD und der "Kurier", denen die inkriminierte Mail zugespielt worden war, gar nicht behauptet haben. So dementiert das BMI eine angebliche "Informationssperre", wovon aber nie die Rede war.

"Was den besonders achtsamen Umgang mit den erwähnten Medien betrifft, so basieren die Erläuterungen auf teils jahrelangen Erfahrungen vieler Kommunikationsmitarbeiter im BMI. Selbstverständlich ist es das Recht und sogar die Pflicht aller Medien, die Arbeit der Polizei, des Innenministeriums und auch des Innenministers kritisch zu beleuchten. Doch es ist ebenso das Recht von Kommunikationsmitarbeitern, sich angesichts der von ihnen gegebenen Informationen und der daraus resultierenden Berichterstattung ein Bild zu machen und daraus qualitative Schlüsse zu ziehen", lautet die Begründung, warum manche Medien nur noch das gesetzlich Vorgesehene erfahren sollen. Belege für die Behauptung werden nicht angeführt.

Innenministerium stellt Mail als Einzelaktion dar

Darüber hinaus stellt Marakovits klar: "Tatsächlich war der Innenminister weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung – ebenso wenig wie Mitglieder aus dem Kabinett des BMI." Falls dem so ist, erscheint es überraschend, dass die politische Leitung des Ressorts nicht über ein Schreiben, mit dem die Pressearbeit der Polizei vereinheitlicht werden soll, informiert worden ist.

Noch dazu, wo Mailabsender Pölzl zunächst als Kickls persönlicher Pressesprecher von der Wiener Polizei ins BMI gewechselt ist. Am 11. Juni wurde er zum Nachfolger von Karl-Heinz Grundböck zum Ressortsprecher ernannt. Wer seine Eignung begutachtet hat und wie viele Bewerber es für den Posten gegeben hat, bleibt vorerst offen: Auf der Homepage des BMI finden sich diese Informationen nicht, die entsprechende Anfrage an das Ministerbüro blieb unbeantwortet. Auffallend ist auch eine hohe Personalfluktuation im Kommunikationsbereich in den vergangenen Monaten. Neben Grundböck haben weitere Mitarbeiter, teils nach Jahrzehnten, das Haus verlassen.

Die Causa hat unterdessen auch international einige Aufmerksamkeit erregt. Eine Rüge kam vom International Press Institute (IPI), einem Netzwerk zur Verteidigung und Stärkung der Medienfreiheit. Das IPI scheint auch als Partner einer entsprechenden Meldung auf der Website des Europarates auf, der sich unter anderem mit Pressefreiheit befasst. Auch zahlreiche ausländische Medien berichteten ausführlich über die Affäre.

Die Vereinigung Europäischer Journalisten (Association of European Journalists AEJ) verurteilt Kickls Pläne: Präsident Otmar Lahodynsky sieht einen Angriff auf die Pressefreiheit in Österreich: "Kickl ist Wiederholungstäter. Vor einigen Worten gab es ernstzunehmende Hinweise aus dem Innenministerium, dass im Zuge der BVT-Affäre sogar Hausdurchsuchungen bei investigativen Journalisten geplant seien. Offenbar orientiert sich der Innenminister immer stärker an den bereits erfolgten Einschränkungen der Medienfreiheit in Ungarn oder Polen. Wer Medien in gute und schlechte einteilt, handelt wie ein Autokrat, nicht wie ein demokratisch gewählter Politiker."

Auch Außenministerin Karin Kneissl hat sich Dienstagabend am Rande der UN-Vollversammlung zur Causa geäußert. Sie habe zwar bisher nur aus den Medien von der Angelegenheit erfahren und die Erklärungen von Kanzler Sebastian Kurz und Präsident Alexander Van der Bellen gelesen, sagte die Ministerin vor Journalisten. Auch sie ergänzte dann aber: "Die Pressefreiheit ist das wesentliche Gut". Es handle sich dabei "um eine grundsätzliche Freiheit". Kneissl verweis darauf, dass sie bisher nur über die Medien von der Causa informiert sei, sagte Kneissl, sie habe vom Verhalten des Innenministeriums unter Herbert KIickl (FPÖ) schon den Eindruck, "dass das, was das rechtlich Erforderliche ist, eingehalten wird". (Michael Möseneder, Günther Oswald, 25.9.2018)