Traut: Tanja Raunig (li.) und Miriam Fussenegger.

Foto: Rita Newman / Rabenhof

Über die Hafenstadt Rotterdam lässt sich zweifelsfrei sagen: Menschen, die ein Bedürfnis nach einer "Transition", das heißt nach einer Umwandlung ihres biologischen Geschlechts, hegen, haben es dort auch nicht leichter als anderswo. Dabei tut Teresa (Miriam Fussenegger) im Wiener Rabenhof-Theater bestimmt ihr Bestes, um "Adrian" zu werden: Sie steht breitbeinig in großzügig geschnittenen Jeans. Sie versteckt die Brüste unter einem "Binder" und zieht, wiewohl von anmutiger Statur, demonstrativ an ihrer Bierflasche wie ein Bauarbeiter.

Jon Brittains Identitätslustspiel Rotterdam vertritt sein nobles Anliegen – das Werben um Verständnis – im Gewand einer Romantic Comedy. Es zeigt Spuren von Knauserigkeit, indem es mit Pointen geizt. Vor allem aber müssen sich die vier grundsym pathischen Figuren Sätze an die gut frisierten Köpfe werfen, die jedem "Vorstadtweib" zur Unehre gereichen würden.

Konflikte in der Bobo-Seligkeit

Drei Wohnschachteln bilden ein würfeliges Symbol-Rotterdam (Bühne: Sarah Sassen), in dem das lesbische Ösi-Pärchen Julia (Tanja Raunig) und Teresa seit Jahren in trauter Bobo-Seligkeit haust. Julia zaudert, ob sie den Eltern ihre sexuelle Orientierung via Mail kundtun soll. Vor allem aber stürzt Teresas Wunsch nach einem Identitätswechsel sie in schlimme Konflikte. Muss sie, die überzeugte Lesbe, bald einen frischgebackenen Ehemann in ihre Arme schließen? Mit steifer Oberlippe vorgetragen, könnte Rotterdam Furore machen. So aber, an ein schnöseliges Klippklapp vergeudet (Regie: Fabian Pfleger), wird das Thema an die Gepflogenheiten des Fernsehspiels weitergereicht.

Ärgerlich stimmt die konsequente Ausblendung aller sozialen Einschreibungen. Die liberalen Niederlande bleiben ein Phantomgebilde. Es sind immer die gesellschaftlichen Bedingungen, die vermeintlich Unumstößliches wie das Geschlecht festlegen. So belacht man die Probleme einer Upperclass, die sich ihr prinzipielles Wohlsein auch von keiner geschlechteridentitären Konfusion madigmachen lässt. Mit Rotterdam erinnert der Rabenhof fast schon an die "alten" Kammerspiele. (Ronald Pohl, 26.9.2018)