Innenminister Herbert Kickl hat sich selbst öffentlich zur Pressefreiheit bekannt.

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Nach dem Bekanntwerden der Anregung aus dem FPÖ-geführten Innenministerium an die Polizei, die Kommunikation mit kritischen Medien zu unterbinden, sind Kritik und Empörung groß – und das zu Recht: So eindeutig hatte man aus dem Sicherheitsressort seit 1945 nicht mehr vernommen, dass die Pressefreiheit nur für willfährige Berichte über die Arbeit der Polizei gelten solle.

Umso positiver, ja beruhigend, ist die rasche Verurteilung dieser Vorhaben durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Regierungschef Sebastian Kurz. Die Spitzen der Republik fanden hier die richtigen Worte.

Doch etwas fehlt noch, um die Zerstörungen hintanzuhalten, die der raue Wind aus dem Hause Innenminister Herbert Kickls anzurichten droht: Den Verurteilungen müssten Taten folgen. Als Ressortchef müsste Kickl die in der geleakten E-Mail formulierten "Wünsche" an die Exekutive zurücknehmen, um schwere Verwerfungen im Umgang der Polizei mit der Öffentlichkeit zu vermeiden. Dass er daran partout nicht denkt, zeigte sein Auftritt am Mittwoch im Nationalrat.

Das jedoch ist ein politisches und gesellschaftliches Problem. Denn erstens bleibt somit die Frage, wie Innenministerium und Landespolizeidirektionen künftig tatsächlich mit unbequemen Journalistenfragen verfahren, völlig ungeklärt. Niemand hat sich bisher dazu festgelegt, weder im Innenressort noch in der Regierung. Kickls öffentliches Bekenntnis zur Pressefreiheit von Dienstag ist zu wenig.

Zweitens geht es in dieser Causa auch um zwei der sensibelsten Themen in der Polizeikommunikation: um den Umgang mit ausländischen Tatverdächtigen und Fällen mutmaßlicher Vergewaltigung in Aussendungen.

Hier droht nichts Geringeres als ein Kippen der exekutiven Öffentlichkeitsarbeit ins Hetzerische – und eine Zerstörung mühsam errungener Fortschritte in der Berichterstattung über Sexualdelikte. Sollten die Polizeipressestellen, wie in der Ministeriumsmail vorgeschlagen, in Zukunft wirklich vor allem Meldungen zu Übergriffen "in der Öffentlichkeit" mit "besonderen Modi Operandi (z.B. Antanzen)" verbreiten, so käme das einer bewussten Verzerrung der Realität gleich.

Im Mittelpunkt stünde dann, wiederauferstanden aus dem Vorurteilsfundus früherer Jahrzehnte, der "fremdländische Sexualtäter". Dass – um die Geschäftsführerin der Autonomen Frauenhäuser, Maria Rösslhumer, zu zitieren – die größte Gefahr für eine Frau in ihrer Partnerschaft droht, würde unter den Tisch gekehrt. Und da Journalisten, die über derlei Verbrechen berichten, auf Grundinformationen der Polizei angewiesen sind, wäre ein fairer Blick auf derlei Fälle sehr erschwert.

Schädlich für ein friedliches Mit einander in der von Migration geprägten österreichischen Gesellschaft ist aber auch die systematische Nennung der Staatsbürgerschaft und des Aufenthaltsstatus mutmaßlicher Täter. In der Ministeriumsmail angeregt, wird sie von den Polizeipressestellen bereits eifrig vollzogen.

Hier macht die Dosis das Gift. Zwar ist es, etwa wenn nach einem Verdächtigen polizeilich gefahndet wird, durchaus relevant, ob dieser ein Niederösterreicher oder ein Nigerianer ist. So sieht es auch der Standard, der die Herkunft überdies dann nennt, wenn es für das Verständnis des Falles wichtig ist. Doch in den allermeisten Fällen ist Kriminalität eben keine Frage der geografischen Herkunft. (Irene Brickner, 26.9.2018)