Der Film "Her" ist vor fünf Jahren erschienen. In ihm verliebt sich ein, kürzlich getrennter, Mann in ein mit charmanter Stimme sprechendes Betriebssystem, das empathisch alle Züge einer menschlichen Person mit sich zu bringen scheint. Im Zeitalter von Siri, Alice und Jeannie, scheint diese Utopie gar nicht mehr so weit entfernt. Künstliche Intelligenz hat schon längst Einzug in die menschliche Gefühlswelt Einzug genommen. Und auch wenn es noch ein paar Jahre dauern dürfte, bis persönliche Assistenten auf Betriebssystemen tatsächlich überzeugend realistisch wirken, verlieben sich bereits jetzt immer mehr menschen in virtuelle Bots.

Experten glauben, dass es noch Jahrzehnte dauern wird, bis Bots so real wirken wie Samantha in "Her".
vipmagazin

Besonders in Asien erleben Spiele wie "Mystic Messenger" wieder einmal einen Boom. Mehrere Millionen mal wurde es in den ersten Monaten bereits heruntergeladen. Das Prinzip ist simpel. Man trifft im Spiel auf mehrere Charaktere und alle haben ihre eigenen Stories. Man muss keine Aufgaben erledigen oder Challenges bestehen, sondern einfach nur mit den anderen Bots interagieren. Oftmals ermutigen sie einen, ein gemeinsames Projekt anzugehen. Deren Antworten sind natürlich vorgeschrieben, aber sie wirken ehrlich und dynamisch. Ziel des Spiels ist es lediglich ein schönes, versöhnliches Ende mit dem jeweiligen Charakter zu finden.

Mystic Messenger boomt in Asien.
CheritzTeam

Von reinen Sex-Games zu Beziehungssimulationen

Dies war nicht immer der Fall. In der Anfangszeit sogenannter Dating-Simulationen, rund um die 1980er Jahre in Japan, konzentrierten sich Spiel-Inhalte zunächst vor allem auf erotische Inhalte mit virtuellen Personen (meist Frauen). Die neue Ära von Dating-Simulationen aber gibt ein viel realeres Spiegelbild menschlicher Interaktion wider. Die neue digitale Intimität lässt dabei die reale und virtuelle Gesellschaft zunehmend verschwimmen – auch weil so viele mögliche Antworten und Erzählstränge auf die Multiple-Choice-Fragen einprogrammiert sind, dass viele irgendwann vergessen, dass sich letzten Endes doch nur eine Technik hinter den real-anmutenden Interaktionen verbirgt.

Kann digitale Intimität menschliche ersetzen?
Foto: APA/AFP/KAZUHIRO NOGI

User schätzen dabei vor allem auch, dass es in Real-Zeit abläuft. Irgendwann fühle man sich verpflichtet, sein virtuelles Gegenüber nicht auf eine Antwort warten zu lassen, sagten sie im Gespräch mit dem "Guardian". Auch habe man Angst etwas zu verpassen wenn man nicht online ist, beschreiben einige Nutzer ihre Erfahrungen mit der App. Viele Nutzer spielen regelmäßig bis zu sechs Stunden oder mehr. Und verlieben sich dabei gelegentlich in ihren Bot.

Ächtung und sozialer Wandel

Wenig überraschend hat diese neue Form digitaler Intimität für viel Unverständnis und Kritik innerhalb der Gesellschaft aber auch innerhalb westlicher Medien gesorgt. Nicht nur in Japan machte man den Trend zu mehr Online-Dating-Simulationen in den letzten Jahren für die fallenden Geburtsraten mitverantwortlich. "Pflanzenfresser" nennt man sie deshalb auch abfällig, aufgrund ihres Verzichts auf "menschliches Fleisch". Immerhin heiratete bereits vor Jahren ein Mann seinen Lieblingscharakter aus der Dating Sim "Love Plus".

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Sexbots mit künstlicher Intelligenz sind vor allem in Asien auf dem Vormarsch.
Foto: REUTERS/Aly Song

Inwieweit die Liebesrevolution tatsächlich in vollem Gange ist, ist unklar. Viele introvertierte Nutzer der App behaupten durch das Spiel Tipps für zwischenmenschliche Interaktionen zu bekommen, wie der "Guardian" schreibt. Auch tauschen sich zahlreiche User wieder direkt in Internetforen über ihre Liebe zum Spiel aus und lernen so "reale" Personen kennen. Und ob sie nun einen virtuellen Gott anhimmle und liebe, oder eben ihren virtuellen Bot, der auch nicht sichtbar sei und dem sie trotzdem vertraue, ist auch schon egal, meint eine Benutzerin der App. In Form einer künstlichen Intelligenz innerhalb eines Roboters, stünde den Fans von digitaler Initmität zumindest ein "reales" Treffen in Aussicht. (red, 26.10.2018)