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Der überragende Peter Sagan gewann drei WM-Titel en suite sowie sechsmal das Punktetrikot und elf Etappen der Tour de France.

Foto: AP/Ena

Mehr als vier Kilo soll Peter Sagan für das Rennen am Sonntag abgenommen haben. Denn auf dem gebirgigen Kurs der Straßenrad-WM in Tirol bedeutet jedes zusätzliche Gramm nur unnötigen Ballast. Schließlich gilt es auf den 258,5 Kilometern insgesamt 4670 Höhenmeter zu bewältigen. Titelverteidiger Sagan, der als Erster seiner Zunft das Regenbogentrikot nun schon drei Jahre in Folge tragen durfte, gilt nicht als Bergspezialist, sondern ist der Typ muskelbepackter Sprinter. Daher sehen viele Experten das Ende der Ära Sagan gekommen.

Abschreiben sollte man den schillernden Slowaken, der heuer den Klassiker Paris-Roubaix gewonnen hat, zwar nie, doch die Konkurrenz ist enorm stark. Mehr als ein Dutzend Namen werden in Expertenkreisen als mögliche Titelanwärter gehandelt.

Frage der Kondition

Angesichts der selektiven Strecke wird der Sieg eine Frage der Kondition. Nach dem Start in Kufstein geht es 90 Kilometer relativ schnell und flach Richtung Innsbruck. Dort wartet der Olympiarundkurs nach Igls hinauf. Insgesamt siebenmal müssen die Fahrer dabei einen knapp acht Kilometer langen Anstieg mit durchschnittlich 5,7 Prozent Steigung bewältigen. Am Schluss werden die Beine auf den drei Kilometern durch die Höttinger Höll bei bis zu 28 Prozent Steigung endgültig zum Brennen gebracht.

Spezialisten wie der Franzose Julian Alaphilippe, der sich heuer die Bergwertung bei der Tour de France sichern konnte, werden daher hoch gehandelt. Auch sein Landsmann Thibaut Pinot hat in Tirol realistische Siegchancen.

Die Briten kommen zwar ohne die müden Superstars Chris Froome und Geraint Thomas nach Innsbruck, die Zwillingsbrüder Adam und Simon Yates, Letzterer hat eben erst die Vuelta gewonnen, kompensieren den Ausfall bestens. Beide haben das Zeug, um den Titel mitzufahren, auch der irische Kapitän Daniel Martin ist gut in Form und kann vorne mithalten.

Italien bislang erfolglos

Die große Radnation Italien hat sich bei der WM in Tirol bislang taktisch vertan und blieb hinter den Erwartungen zurück. Am Sonntag sollen Vincenzo Nibali, dem in seiner Trophäensammlung eigentlich nur ein WM-Pokal fehlt, und Gianni Moscon die Ehre der düpierten Azzurri retten.

Wer sich noch an WM-Sieger erinnert, die nicht Sagan heißen, dem wird der Name Michal Kwiatkowski ein Begriff sein. Er war 2014 im Regenbogentrikot unterwegs. Bei der Vuelta konnte der Pole zwar nicht überzeugen, ist aber immer für eine Medaille gut.

Heuer bereits aufgezeigt hat der Slowene Primoz Roglic. Der ehemalige Skispringer fuhr bei der Tour de France in die Weltspitze und gilt als Kletterer. Ein weiterer Geheimfavorit ist der Kolumbianer Sergio Henao. Die Südamerikaner gelten überhaupt als Bergspezialisten.

Auch die Niederländer haben mit Tom Dumoulin einen Medaillenaspiranten. Spaniens Hoffnungen ruhen vor allem auf Alejandro Valverde, wobei unklar ist, wie sehr ihm die Anstrengungen der Vuelta in den Beinen stecken.

Dass er auf einem gebirgigen Kurs gewinnen kann, hat der Belgier Greg van Avermaet bei den Olympischen Sommerspielen in Rio bewiesen, wo Sagan eben wegen der Topografie des Kurses auf einen Start verzichtet hatte. Als Außenseiter mit realistischen Medaillenchancen wird der Kanadier Michael Woods gehandelt.

Österreichs Team wird von Kapitän Patrick Konrad angeführt. Mit ihm gehen Felix Großschartner, Gregor Mühlberger, Lukas Pöstlberger, Georg Preidler und Michael Gogl ins Rennen.

Klare Favoritinnen

Bei den Damen gelten die Niederländerinnen als Topfavoritinnen. Sie hatten schon das Einzelzeitfahren dominiert und für einen Dreifachsieg gesorgt. Annemiek van Vleuten und Anna van der Breggen werden wieder ganz vorn dabei sein, sind sich Experten einig. Und auch Titelverteidigerin Chantal Blaak sollte man nicht abschreiben.

Als Team dürften vor allem die Australierinnen dazu in der Lage sein, den Niederländerinnen halbwegs Paroli zu bieten. Ob es auch in der individuellen Klasse reicht, wird sich zeigen.

Kritik kam von einigen Damen, weil ihr Kurs, der 156,2 Kilometer lang ist und 2413 Höhenmeter überwindet, den attraktiven Schlussabschnitt durch die Höttinger Höll nicht umfasst. (Steffen Arora, 28.9.2018)