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Graciano Rocchigiani.

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So kannte man ihn: "Rocky" im Vorwärtsgang.

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Schock für die Boxszene: Graciano Rocchigiani ist tot. Der ehemalige IBF-Weltmeister starb bei einem Autounfall in Italien. Der unter dem Spitznamen Rocky bekannte Boxer wurde nur 54 Jahre alt. Rocchigiani soll seine Freundin in Italien besucht haben, bei dem Unfall war er angeblich als Fußgänger unterwegs.

1988 holte sich der Sohn eines sardischen Eisenbiegers den WM-Titel im Supermittelgewicht. Zehn Jahre später gewann er im Halbschwergewicht den Titel der WBC. Insgesamt bestritt er 48 Profikämpfe, 41 konnte er für sich entscheiden, 19 beendete er vorzeitig durch K. o.

Bad Boy

Nach Ende seiner Karriere kam er wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt, wurde wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung angeklagt, des öfteren wegen Fahrens ohne Führerschein erwischt und mehrfach zu Freiheitsstrafen verurteilt. Zudem hatte er mit Alkoholproblemen zu kämpfen.

In den vergangenen Jahren versuchte sich Rocchigiani unter anderem als Veranstalter und gründete die Graciano Rocchigiani Boxpromotion GmbH. 2017 musste er allerdings Insolvenz anmelden.

Der Ex-Champ galt über Jahre als einer der besten Profiboxer Deutschlands, fiel aber auch durch seine flotten Sprüche auf. Anfang des Jahres stieg er beim Fernsehsender Sport 1 als Experte ein. "Es wird Zeit, dass mal wieder ein bisschen frisches Blut in die ganze Boxgeschichte kommt", hatte er sein Kommen angekündigt.

Lebemann

Rocchigiani war aber auch deshalb regelmäßig in den Medien, weil er ein Leben in Saus und Braus führte. Er scheffelte Millionen, verprasste alles, stürzte ab und lebte lange von Hartz IV.

"In der Vergangenheit habe ich mich oft wie auf einer Achterbahn gefühlt. Für kurze Zeit ganz oben, als strahlender Sieger, und dann plötzlich wieder ganz unten, am Boden zerstört. Einmal fand ich mich im Straßengraben wieder und dreimal auch im Knast", sagte der Bad Boy des deutschen Boxsports einmal.

Das ganze Drama seines Lebens wurde deutlich, als Ex-Ehefrau Christine ihre Autobiografie ("K.o. nach zwölf Runden") vor einigen Jahren veröffentlicht hatte. Drogen, Prostituierte, häusliche Gewalt, Gefängnis, Scheidung – Rocchigiani ließ keinen Skandal aus.

Zig Millionen Dollar Schadenersatz

Die Ehefrau war auch dabei, als Rocchigiani einen der spektakulärsten Prozesse in der Geschichte des Profiboxens führte – und gewann. Am 22. März 1998 hatte sich der Rechtsausleger vor 9.000 Zuschauern in der Berliner Max-Schmeling-Halle durch einen Sieg gegen den Amerikaner Michael Nunn den WM-Titel der WBC im Halbschwergewicht gesichert. Als erster deutscher Boxer widerlegte er das Motto They never come back und wurde zum zweiten Mal in seiner Karriere Champion.

Vier Monate später sorgte das World Boxing Council (WBC) für einen Eklat. Der Verband, in dem bereits Muhammad Ali Weltmeister war, ernannte plötzlich den Amerikaner Roy Jones zum neuen Champion. Rocchigiani fühlte sich bestohlen und zog in den USA vor Gericht. Am Ende wurden ihm 31 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen. Dem WBC drohte der Konkurs, 2004 ging Rocchigiani auf ein Vergleichsangebot ein und bekam 4,5 Millionen Dollar. Es dauerte aber nicht lange, da war auch diese Summe durchgebracht.

Umstrittene und folgenschwere Niederlagen

Zur tragischen Figur wurde er zur Zeit des deutschen Boxbooms in den Neunzigerjahren in Kämpfen gegen die damaligen TV-Lieblinge Henry Maske und Dariusz Michalczewski. Beide Weltmeister hatte er am Rande einer Niederlage, verlor aber jeweils umstritten. Die Rückkämpfe gab er klar ab, sodass ihm der Aufstieg zum nationalen Helden verwehrt blieb.

Am 11. März 1988 war der Stern des Profiboxers Graciano Rocchigiani aufgegangen. Vor 6.000 Zuschauern prügelte der damals 24-Jährige in Düsseldorf den Amerikaner Vincent Boulware im IBF-Titelkampf des Supermittelgewichts windelweich.

Schon damals zeigte sich sein typischer Stil: Sobald er sich bei einem Gegner festgebissen hatte, war der jüngere Bruder von Profiboxer Ralf Rocchigiani nicht mehr zu halten und zeigte spektakuläre Schlagserien. Über Nacht war der Shootingstar zum Champion geworden. (sid, red, 2.10.2018)