Rüge für Nationalratspräsident Sobotka – erteilt von Andreas Schieder. Der außenpolitische Sprecher der SPÖ fordert zu Orbán und Co klarere Worte ein.

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Wien – Andreas Schieder, außenpolitische Sprecher der SPÖ, kritisiert Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) für dessen Befund zur Partei Fidesz von Ungarns Premier Viktor Orbán: "Gerade eben erst hat das Europäische Parlament ein Verfahren gegen Ungarn unter anderem wegen Verletzung von Grund- und Freiheitsrechten eingeleitet. Wenn Sobotka nun die Orbán-Partei Fidesz als 'an unserem Kulturkreis und christlich orientierte Partei' lobt, muss man ihn fragen, welchen Kulturkreis er meint."

Zum europäischen Kulturkreis des 21. Jahrhunderts gehöre es jedenfalls nicht, die Pressefreiheit einzuschränken oder die Justiz zu kontrollieren. Schieder: "Vielleicht sollte sich Sobotka hierzu bei seinen Freunden in der Europäischen Volkspartei und bei den ÖVP-EU-Abgeordneten erkundigen, die dem EU-Verfahren zugestimmt haben."

Zynischer Befund

Auch die Titulierung der Fidesz als "christliche" Partei" ist aus Schieders Sicht "zynisch": "Wenn man sich ansieht, wie Ungarn unter Orbán mit Minderheiten wie den Roma oder mit Flüchtlingen umgeht, dann hat das mit dem Prinzip der christlichen Nächstenliebe nichts zu tun." Es sei eine besorgniserregende Entwicklung, dass sich die "neue" ÖVP heute zunehmend an den Orbáns und Kaczyńskis, an Fidesz und PiS orientiert und sich von ihren christlich-sozialen Wurzeln immer mehr entfernt.

Zuvor hatte Sobotka in der Kontroverse um die Partei des rechtsnationalen ungarischen Regierungschefs dafür plädiert, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen: Immerhin sei Orbáns Fidesz "eine christlich orientierte, an unserem Kulturkreis orientierte Partei".

Pragmatismus bevorzugt

Die in Ungarn seit 2010 meist mit Zweidrittelmehrheit regierende Fidesz gehört wie die ÖVP der Europäischen Volkspartei (EVP) an. Das Europäische Parlament hatte im Vormonat ein EU-Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn wegen zahlreicher Sorgen etwa bezüglich der Grundrechte, der Freiheit der Justiz oder der Medien auf den Weg gebracht. Auch die ÖVP hatte, wie die Mehrheit der EVP-Mandatare, den Beschluss unterstützt.

Sobotka betonte dazu: "Ich plädiere immer für einen großen Pragmatismus." Auch mit Anspielung auf den Brexit unterstrich er: "Man muss mit Ausschlüssen, Trennungen sorgsam umgehen." Einen Ausschluss von Fidesz aus der EVP sehe er derzeit nicht. Sobotka nahm am Donnerstag an einem Treffen in Kroměříž in Tschechien teil, wo er seine tschechischen und slowakischen Amtskollegen, Radek Vondráček und Andrej Danko, traf.

Auch Kritik von den Neos

Verärgert reagierte auch Vize-Klubobmann Niki Scherak über die Aussage von Nationalratspräsident Sobotka: "Wenn der ständige Angriff auf die europäischen Werte für den Nationalratspräsidenten zu unserem Kulturkreis gehört, dann Gute Nacht. Der Bruch europäischer Regeln sowie Einschränkungen von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheitsrechten gehören ganz sicher nicht zu unserer liberalen Demokratie. Dass Sobotka derartige Tendenzen lobt, ist äußerst irritierend."

Scherak übt auch auf Twitter Kritik an Nationalratspräsident Sobotka.

Damit werde auch immer klarer, wohin die Reise der ÖVP gehe. "Wenn Sobotka auch als einer der höchsten Vertreter der ÖVP jenen Viktor Orban verteidigt, den die Europäische Volkspartei überlegt auszuschließen, dann muss man sich ernsthaft fragen, wo die ÖVP unter Sebastian Kurz steht. Wir Neos stehen jedenfalls auf der Seite jener Kräfte, die die liberale Demokratie und unsere Freiheitsrechte verteidigen", so Scherak.

Nationalratspräsident Sobotka hat am Donnerstag zu seiner Aussage über die ungarische Regierungspartei Fidesz ("Eine christlich orientierte Partei") noch einmal ausdrücklich festgehalten, dass diese kein "Lob" darstelle. "Ein Lob ist aus dieser Formulierung nicht herauszulesen", stellte ein Sprecher am Abend fest. "Die Aussage, dass Wolfgang Sobotka immer für Pragmatismus plädiert, unterstreicht, dass aus seiner Sicht sachlicher Dialog und Austausch zu jedem Zeitpunkt möglich sein müssen". (red, 4.10.2018)