Wien – Gegensätze ziehen sich an, lautet eine Redewendung. Dem widerspricht das sogenannte Ähnlichkeits-Attraktions-Paradigma aus der Psychologie. Es besagt, dass sich einander ähnliche Personen eher sympathisch finden als solche, die einander unähnlich sind. Homogenität innerhalb einer Gruppe wäre demnach ein Kriterium für das Wohlbefinden.

Dieser Zusammenhang interessiert auch die Organisationsforschung. So wird unter anderem untersucht, wie sich in Unternehmen Unterschiede in der Zusammensetzung der Belegschaft auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter und das Arbeitsklima auswirken. Dabei wird zwischen Oberflächen- und Tiefendiversität unterschieden, erklärt Ingrid Wahl, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ferdinand-Porsche-Fern-FH. "Oberflächendiversität umfasst Merkmale, die man auf den ersten Blick erkennen oder rasch in einem kurzen Gespräch herausfinden kann", sagt sie.

Dazu gehören Alter, Geschlecht, das Einkommen oder wie lange man bereits beim Unternehmen ist. Zur Tiefendiversität zählen Werte und Einstellungen des Gegenübers. Sie werden erst offenbar, wenn man jemanden längere Zeit kennt. "Die Relevanz der Tiefendiversität steigt mit der Zeit", meint Wahl. "Es wird wichtiger, welche Werte und Einstellungen der andere hat, damit man gut mit ihm zusammenarbeiten kann."

Tiefendiversität messen

Im Rahmen ihres Forschungsprojektes hat Wahl ein Messsystem für Tiefendiversität entwickelt. Dafür hat sie 143 Frauen und 106 Männer im Alter von 17 bis 66 Jahren befragt. Jeder Teilnehmer sollte sich in Gedanken jene Person im eigenen Unternehmen aussuchen, die er für am unterschiedlichsten im Vergleich zu sich selbst hält.

Anschließend musste anhand von fünf Persönlichkeitseigenschaften beurteilt werden, wie stark der Unterschied für die jeweilige Eigenschaft ausgeprägt ist. Die fünf Eigenschaften hat Wahl aus der differentiellen Psychologie übernommen, wo sie als "Big Five Inventory" bekannt sind. Im Einzelnen sind dies Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Geselligkeit, Verträglichkeit und emotionale Verletzlichkeit.

Zusätzlich wurden die Studienteilnehmer gefragt, wie unterschiedlich sie den "most diverse co-worker" hinsichtlich dessen allgemeiner Einstellung zu Arbeit, Einkommen und Karriere einschätzen. Insgesamt wurden 61 Fragen gestellt. Ausgehend von den Antworten der Studienteilnehmer identifizierte Wahl 24 Fragen, die Diversität am stärksten charakterisieren. Diese fasste sie zu drei Merkmalen zusammen: Arbeitsmoral, Leistungsstreben und Umgänglichkeit.

Eine Erkenntnis aus Wahls Untersuchung ist, dass kaum Korrelationen zwischen Oberflächen- und Tiefendiversität bestehen. Für Unternehmer sei es jedenfalls von Vorteil, genau über die Diversität im eigenen Betrieb Bescheid zu wissen, meint Wahl. "Oberflächendiversität ist vorteilhaft für Unternehmen, weil dadurch unterschiedliche Sichtweisen hereinkommen. Wenn sich die Mitarbeiter aber in ihren Werten und Einstellungen stark widersprechen, können sie nicht gut zusammenarbeiten." Auch das fand Wahl heraus. (rl, 5.10.2018)