Heißdiskutiertes Element des neuen, knapp 13.000 Quadratmeter großen Innsbrucker Musikzentrums sind die dunkel glasierten, melanzanig anmutenden Keramiklamellen.

Foto: Günther Egger

Innenansicht des Neubaus.

Foto: Günther Egger

Innenansicht des Neubaus.

Foto: Günther Egger

"Schauen Sie sich nur einmal die alte Säuleneiche an, deren Äste und Blätter fast in den Saal hineinwachsen! Ist das nicht wunderbar? Es ist, als hätte der Baum auf dieses Haus geradezu gewartet." Johannes Reitmeier, Intendant des Tiroler Landestheaters, ist ganz außer sich, als er den großen, rundum mit Eichenholz getäfelten Konzertsaal betritt. Vor der riesigen Glasfassade mit ihren sieben Meter hohen Fensterscheiben werden gerade die letzten Handgriffe gemacht, die Bühnenelemente eingepasst, die Nachhallvorhänge in Position gebracht, die Orchesterstühle in den Saal hereingetragen. Am Samstag am Abend, eine Woche nach Austragung der Straßenrad-WM, die am provisorisch asphaltierten Vorplatz ihre Zieleinfahrt hatte, wird das Innsbrucker Haus der Musik mit Ausschnitten aus Don Giovanni und Barbier von Sevilla sowie mit einem Saxofonkonzert des französischen Komponisten Jacques Ibert feierlich eröffnet.

Mit dem Haus der Musik, das anstelle der in die Jahre gekommenen und teils desolaten Stadtsäle zwischen Landestheater, Hofburg und Jesuitenkirche auf den Platz gestellt wurde, geht eine lange, kontroversiell diskutierte Entstehungsgeschichte einher. Die einen, wie etwa die lokalen Printmedien, stoßen sich an der dunklen Fassade und bezeichnen den Würfel als "schwarzes Monster", als "Stein des Anstoßes", als "Kaba von Innsbruck". Die anderen, allen voran die Innsbrucker FPÖ, halten sich erst gar nicht mit architektonischen Details auf, sondern stellen ganz generell infrage, ob es denn eines solchen Neubaus überhaupt bedürfe.

Polemische Dauerfrage

Der 2013 ausgeschriebene, zweistufige Wettbewerb, an dem sich 126 Architekten aus ganz Europa beteiligt hatten, beantwortet die polemische Dauerfrage der Konservativen mit einem eindeutigen Ja. Mit der Zusammenführung und Verdichtung von einem knappen Dutzend Institutionen – darunter etwa das Mozarteum, das Landeskonservatorium, das Institut für Musikwissenschaft der Universität Innsbruck, die Festwochen der Alten Musik sowie etliche übergeordnete Vereinsverbände – sollte Innsbruck endlich als Musikstadt wahrnehmbar werden. Hinzu kommt, dass das Tiroler Symphonieorchester mit der Fertigstellung des Neubaus seinen jahrzehntelang ersehnten Probenraum erhält.

"Das richtige Raumprogramm war eine echte Herausforderung", sagt der Innsbrucker Architekt und Wettbewerbssieger Erich Strolz, der das Projekt gemeinsam mit dem Vorarlberger Büro Dietrich Untertrifaller realisierte. "Es ist nicht nur ein Konzerthaus mit insgesamt vier verschieden großen Konzert- und Kammersälen, sondern vielmehr eine Art kulturelles Infrastrukturgebäude, in dem auch unterrichtet und verwaltet wird." Aus einigen Musik- und Seminarräumen der in den oberen Etagen angesiedelten Institute blickt man durch das Glasdach direkt nach unten ins Foyer. Köpfe mit hochgesteckten Frisuren und Abendroben werden bald das Sichtfeld dieser Räume prägen.

Auffälligstes und auch heißestdiskutiertes Element des neuen, knapp 13.000 Quadratmeter großen Musikzentrums sind die dunkel glasierten, melanzanig anmutenden Keramiklamellen, die sich von der Fassade bis ins Foyer, bis an die Saaleingangstüren nach innen ziehen. Es ist genau dieses hybride Spiel zwischen innen und außen, zwischen Haus und Stadt, zwischen Weit-weg-Sein und Angreifen-Können, die den Pausenraum mit seinen flachen Auf- und Abgängen trotz aller farbigen und materiellen Unterkühltheit (weiße Dispersion, hellgrauer Fliesenboden, in seiner ganzen Erscheinung absolut unmusikalischer Edelstahl) dennoch so spannend machen.

Guter und wichtiger Prozess

"Wir haben lange nach einem passenden Material für die Fassade gesucht", erinnert sich Strolz, der zu Beginn mit hellen Keramikplatten und sogar hölzernen Lamellen experimentiert hat. Doch nachdem sich selbst die Chronikredaktionen der lokalen Medien in die Debatte eingeschaltet und danach getrachtet haben, die Bevölkerung nach und nach zu instrumentalisieren, wurde kurzerhand das Bundesdenkmalamt, der Innsbrucker Stadt- und Ortsbildschutzbeirat, der Innsbrucker Gestaltungsbeirat sowie ein eigens ins Leben gerufener Projektbeirat unter der Leitung von Ernst Beneder und Elke Delugan-Meissl zurate gezogen.

"Das war ein guter und wichtiger Prozess", meint der Architekt, "weil wir dadurch auf sachlicher Ebene über die unterschiedlichen Vor- und Nachteile diskutieren konnten. Ich jedenfalls bin mit dem Resultat zu 95 Prozent zufrieden." Drei verschiedene, eigens für dieses Haus produzierte Strangpressprofile wurden so gegeneinander versetzt verbaut, dass der eingeweihte Profi darin baulich manifestierte Terzen und Quarten zu erkennen glauben sollte. So will es das Konzept. Und die restlichen fünf Prozent? "Die sind nicht unbedingt Unzufriedenheit, sondern einzig und allein die Ungewissheit, wie die Generation nach uns diese zeitgenössische Entscheidung des Bauens im historischen Umfeld auffassen wird", so Strolz.

Damit fügt sich das jüngste Großprojekt der Tiroler Landeshauptstadt (kolportierte Baukosten 62,7 Millionen Euro) perfekt in die für Österreich so einzigartige Planungskultur. Schon seit den Rathaus-Galerien von Dominique Perrault, seit der Bergiselschanze von Zaha Hadid, seit dem Kaufhaus Tyrol von David Chipperfield wird nicht das realisiert, was dem Mittelmaß und dem größten gemeinsamen Geschmacksnenner der Bevölkerung entspricht, sondern schlichtweg das, was eine Gruppe hochkarätiger Profis für die bestmögliche Lösung hält. Die drei eben genannten Projekte waren bei Planung, Errichtung und Fertigstellung Hassobjekte von Mensch und Medien. Heute sind sie heißgeliebte Sehenswürdigkeiten, die niemand mehr vermissen will. Schlussakkord. (Wojciech Czaja, 6.10.2018)