Die Blockchain-Technologie ließe sich im Immobilienbereich mannigfaltig einsetzen, sind Experten überzeugt.

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Tokenisierte Häuser, ICOs, Smart Contracts – all das sind Schlagworte, die im Zusammenhang mit Blockchain oft fallen. Auch der Immobiliensektor setzt sich zunehmend damit auseinander, wie Veranstaltungen wie die aktuelle Expo Real in Deutschland oder die im kommenden Jahr zum zweiten Mal in Österreich stattfindende Blockchain Real beweisen. Und wenn sogar der Staat Österreich seine neuen Bundesanleihen mittels Blockchain abwickelt, wird die Sache noch einmal interessanter.

Blockchain klingt erst einmal vor allem gut, was es aber eigentlich bedeutet, erklärt vereinfacht eine Metapher: Prozesse, die sonst Handschlagqualität oder Verifizierung durch Mittelsmänner erfordern, werden mithilfe dieser Technologie besiegelt. Was einmal in der Blockchain drinnen ist, kann so schnell nicht wieder heraus. Weil jeder Block mit seinem Vorgänger verlinkt ist, ist das System auch fälschungssicher.

"Die Blockchain-Technologie ist vergleichbar mit einem überdimensionierten Excel-File, das auf vielen verschiedenen Rechnern in Kopie liegt. Wie ein Verzeichnis, in dem steht, wem was gehören soll", sagt Rechtsanwalt Oliver Völkel. Seine Wiener Kanzlei, die er gemeinsam mit seinem Partner Arthur Stadler gegründet hat, ist die erste im Land, die sich auf Rechtsberatung im Zusammenhang mit der Technologie spezialisiert hat. Zunehmend klopfen auch Klienten aus der Immobilienbranche bei ihm an.

Gesetzlicher Rahmen

Einsetzen ließe sich die Technologie im Immobilienbereich sowohl für Finanzierungsformen als auch für alltäglichere Anwendungen. "Es ist etwa denkbar, eine virtuelle Währung mit einem Zinshaus, einem Portfolio oder mit Eigentumsrechten zu verknüpfen oder Häuser zu tokenisieren, also in viele Einzelteile zu zerlegen und zu verkaufen", so Völkel, der einräumt, dass Letzteres mit den Fondsgesellschaften heute schon existiert. Anders als etwa in Liechtenstein fehle es in Österreich noch an gesetzlichen Klarstellungen, um jeden Zweifel rund um die Tokenisierung von Immobilien auszuräumen.

David Breitwieser vom Immobilienunternehmen EHL sieht das ähnlich: "Wir beobachten die Entwicklungen, aktuell sehen wir jedoch noch keine Möglichkeiten, Blockchain vernünftig einzusetzen, da auch die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden müssten."

Kapitalmarkt für kleinere Unternehmen

Dabei ist hierzulande zumindest der Rahmen für Kryptowährungen gut. "In Österreich kann man auch gewerblich mit Kryptowährungen handeln, ohne dass man unter das Wertpapieraufsichtsrecht fällt, sofern es sich bei der Kryptowährung nicht um ein Finanzinstrument handelt", so Völkel. Er meint weiters, dass die Blockchain den Kapitalmarkt für kleinere Unternehmen öffnen könnte – als Technologie für eine banken-unabhängige Finanzierungsform.

Von konkreten Anwendungsformen berichtet der Rechtsanwalt, der derzeit an einem Rechtshandbuch auf dem Gebiet arbeitet, in folgenden Bereichen: Manche Leute hinterlegen heute schon ihre Kaution in einer Kryptowährung wie Bitcoin. Mit der Hoffnung, dass sich der Wert in den kommenden Jahren vervielfacht. Oder Immobilientransaktionen: Jemand kauft ein Haus mit Kryptowährung, vorausgesetzt, dass auch der Verkäufer einverstanden ist. Völkel kennt auch Immobilienentwickler in Österreich, die virtuelle Währungen bereits als Zahlungsmittel akzeptieren. "Man sollte das nicht unterschätzen, da es hierzulande doch einige Bitcoin-Millionäre gibt, und überlegen, wie man diese als Käufer anspricht", so der Rechtsanwalt.

Hilfe bei Übergaben

In Deutschland setzt man währenddessen auf Immobilienübergaben per Blockchain. Das Start-up Simmst launcht sein erstes Produkt, die sogenannte Hand-over-App, die konsequent den Übergabevorgang digitalisiert. Co-Founderin Katarina Adam erläutert die Idee: "Unsere Vision ist eine Immobilienplattform, auf der Mieter und Vermieter miteinander interagieren. Der Markt braucht das, und er soll damit transparenter werden."

Als erster Schritt auf dem Weg zu dieser Plattform ist diese Übergabe-App zu verstehen, denn sie dient sowohl dem Mieter als auch dem Vermieter als verlässliche Beweisquelle. Der Mieter kann beweisen, dass er eine Wohnung in dem Zustand zurückgibt, in dem er sie angemietet hat. An einem Zeitstempel ist zu sehen, wann und wie er die Wohnung erhalten hat. Umgekehrt dient die Technologie auch dem Vermieter als Beweis, sollte er das Objekt in einem schlechteren Zustand zurückbekommen, als er es übergeben hat.

Strom-Sharing unter Mietern

Eine völlig andere Anwendungsform hat dieses Jahr als Pilotprojekt im Wiener Viertel Zwei nahe der Trabrennbahn Krieau begonnen: Erstmals soll in einem Stadtteil eine Blockchain-Infrastruktur entstehen und mit den vorhandenen Energieanlagen verbunden werden. Mit Photovoltaikanlagen erzeugter Strom soll per Strom-Sharing an die Mieter im Haus und in der Nachbarschaft weitergehandelt werden. Auch in diesem Fall braucht es keine Zwischenhändler.

In einem weiteren Schritt plant Simmst, den Umgang mit Kautionen per Blockchain zu revolutionieren. Damit soll es bald möglich sein, dass Vermieter die Kaution nicht erst nach der Betriebskostenabrechnung auszahlen, sondern sofort – abzüglich eines Betriebskostenanteils von 20 bis 25 Prozent. Der Vorteil: Der Mieter kann das Geld gleich wieder in seinen Umzug investieren. Der Vermieter profitiert davon, weil er nicht mehr das im Fremdvermögen gehaltene Geld verwahren muss. Durch die Automatisierung reduziert sich der Verwaltungsaufwand erheblich. "Darüber hinaus ist diese Abwicklung eine mieterfreundliche – etwas, das hilft, die im Markt bestehende Asymmetrie zum Vorteil aller abzubauen", so Adam.

Jeden Tag Miete bezahlen

Ein weiteres Gedankenspiel, das aber laut den Experten in noch weiter entfernter Zukunft anzusiedeln ist: "Man könnte etwa überlegen, die Miete automatisiert mittels Smart Contract in Kryptowährung zu bezahlen, etwa jeden Tag ein Dreißigstel. Allerdings ist das noch nicht realistisch, Kryptowährungen sind dafür noch viel zu volatil", so Oliver Völkel.

Auch Katarina Adam glaubt, dass man bei den Mietzahlungen über Blockchain erst ganz am Anfang steht. Für den einen oder anderen ist das vielleicht auch gut so: Spinnt man das Gedankenexperiment weiter, könnte bei Nichtbezahlen die Tür zur Wohnung einfach von heute auf morgen verschlossen bleiben. Da war der Postweg mit mehrfachen Mahnungen zumindest für den in Verzug geratenen Zahler dann doch etwas humaner. (Marietta Adenberger, 10.10.2018)