Peter Kaiser war in der "Pressestunde" des ORF sehr milde: Die Kommunikationspolitik der SPÖ in den vergangenen Wochen sei "ganz schlecht" gewesen. In Wirklichkeit war sie ein Debakel. Aus einem potenziell attraktiven Offensivplan – der begeisterte Europäer Christian Kern kandidiert bei der EU-Wahl als Spitzenkandidat gegen die internationalen Nationalisten – wurde ein Selbstfaller. Dass gerade Franz Vranitzky das für seine Begriffe scharf kritisierte ("So kann man nicht abtreten") verwundert nicht: Seine Staffelübergabe an Viktor Klima verlief 1997 völlig geordnet, selbst die weniger harmonischen Wechsel von Klima zu Alfred Gusenbauer und von diesem zu Werner Faymann ließen "nur" persönliche Verwundungen zurück. Der Abgang Faymanns, an dessen Form die SPÖ noch heute leidet, entzieht sich generell solchen Vergleichen. Kommunikativ blendend dann der Aufstieg Kerns, brillant inszeniert bis zum "Plan A". Kein Wunder, dass Kerns nun weit weniger professionell vollzogener Abgang aus der Innenpolitik große Enttäuschung hervorrief.

Herzen der "Basis" gewinnen

Immerhin, da hatte Kaiser recht: Die größten Unklarheiten hat die SPÖ-Spitze beseitigt. Mit Pamela Rendi-Wagner wurde eine Parteichefin designiert, die offensichtlich – siehe ihren ersten Auftritt beim Parteitag der SPÖ Niederösterreich und ihren ZiB 2-Auftritt bei Armin Wolf – die Herzen der "Basis" gewinnen kann. Potenziell auch mehr Wähler als zuletzt: Eine in gerade für die SPÖ entscheidenden Fragen der Sozial- und Gesundheitspolitik kompetente Frau, empathisch und uneitel. Dass sie erst seit kurzem SPÖ-Mitglied ist, muss in Zeiten wie diesen kein Minus sein. Dass sie andere Spitzenpositionen nach ihrem Gutdünken besetzt, war machtpolitisch logisch, ebenso dass sie nicht bloß als Erfindung des Ex-Kanzlers wirken will (was nichts mit "Kern-Bashing" zu tun hat). Dass es dazu mehr oder weniger wohlmeinende "Ratschläge" geben würde, war ebenso klar, auch Debatten darüber, ob das neue Team breit genug aufgestellt ist. Die Reaktionen der "Verlierer" Andreas Schieder und Max Lercher bewiesen, dass wenigstens einige in der SPÖ Lehren aus dem Kommunikationsdebakel gezogen haben.

"Arbeiterpartei" allein?

Nicht alle, das bewies eine Facebook-Botschaft einer steirischen Abgeordneten an den neuen Bundesgeschäftsführer Drozda: "Thomas, du bist ein Bobo ... ein Akademiker im Anzug", er kenne sich mit Shakespeare besser aus als mit Eisstockschießen. Prompt hatte die SPÖ eine neue öffentliche Debatte am Hals: "Bobos" gegen "Prolos", bald auch eine über teure Armbanduhren. Konsequent weitergedacht: Nur "proletarische" Menschen dürften eine Sozialdemokratie anführen, nicht solche wie Adler, Bauer, Renner, Kreisky oder Vranitzky. Natürlich: Auch der SPÖ können öffentliche Debatten guttun. Aber inhaltliche, etwa wofür diese Partei steht, für wen sie kämpft: "Arbeiterpartei" allein kann sie wohl nicht sein. Schon deshalb nicht, weil es immer weniger klassische Arbeiter gibt (Automatisierung, Digitalisierung), wohl aber ein Sammelsurium ganz, weniger oder gar nicht Beschäftigter, die sich immer seltener nach ihrer "Klassenlage" orientieren, sondern – auch – nach ihren kulturellen, moralischen, bisweilen leider auch religiösen Vorlieben. Überhaupt: Es gibt immer weniger Stammwähler, aber immer mehr, die sich an Persönlichkeiten orientieren, die ihnen glaubwürdig Werte und mögliche Verbesserungen ihrer Lebenslagen anbieten, dafür Allianzen auch jenseits traditioneller Parteigrenzen schmieden.

Das war in der SPÖ das Erfolgsgeheimnis der dreifachen sozialliberalen Wahlsiege Bruno Kreiskys. Sie endeten nach seinem öffentlichen Feldzug gegen Hannes Androsch. Und dann endgültig, als die Frontstellung zwischen "Ökologie" und "Ökonomie" im Wald von Hainburg nicht mehr zu kitten war. Heute würde man sagen: zwischen "Bobos " und "Prolos". Nur: Damals lag die SPÖ bei 40 Prozent, heute bei knapp 27. Und sie hat in Sebastian Kurz einen Widersacher, der vor allem eins beherrscht: politische Kommunikation. (Peter Pelinka, 5.10.2018)