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Im Güterverkehr hat die Straße die Schiene längst abgehängt. Dennoch gibt Österreich überdurchschnittlich viel Geld für Bahn-Cargo aus.

Foto: Picturedesk / Johannes Glöckner

Alle reden über Tempo 100, Dieselemissionen und Klimaschutz, ein entscheidendes Thema kommt bei all dem aber nicht vor: Der Schwerverkehr auf Österreichs Straßen ist für einen großen Teil der Schadstoffemissionen an Feinstaub, Stickstoff- und Kohlendioxid im Verkehrssektor verantwortlich.

Und der Schwerverkehr zieht mit der Konjunktur massiv an. Im Vorjahr stieg die Verkehrsleistung von Lkw über 3,5 Tonnen Achslast um fast acht Prozent, heuer (bis August) noch einmal um sechs Prozent. Das spült Milliarden in die Kassen des Autobahnen- und Schnellstraßenbetreibers Asfinag, der im Vorjahr an Mauterlösen insgesamt 2,03 Milliarden Euro einnahm – davon 1,37 Milliarden allein von Lkw-Maut-pflichtigen Lastern. Heuer ist aus diesem Titel mit gut 60 Millionen Euro an Mehreinnahmen zu rechnen.

Bei diesem Tempo kann die Bahn nicht mit. Wohl zieht die Schienengüterverkehrsleistung auch wieder an, aber der Aufschwung fährt nicht ansatzweise so oft mit der Bahn wie mit Lkw. Mit einem Modal Split von 28 bis 33 Prozent (je nach Quelle divergieren die Angaben und sind kaum nachprüfbar), gehört Österreichs Schienennetz zu den Spitzenreitern in Europa bei der Intensität der Nutzung – im Fracht- wie im Schienenpersonenverkehr. Mit gutem Grund nennt sich Österreich das Bahnland Nummer eins in der EU. Denn erstens ist die Schweiz nicht Teil des EU-Eisenbahnmarktes und zweitens sind die Eidgenossen im inländischen Bahngüterverkehr auf den Transit angewiesen. Die SBB-Cargo rangiert im Gegensatz zur ÖBB-Güterbahn Rail Cargo Austria bei den Schlusslichtern.

Bahngütermenge steigt leicht

Die 2017 im ÖBB-Schienennetz beförderte Gütermenge gibt Regulator Schienen Control mit knapp 119 Millionen Nettotonnen an, die Verkehrsleistung mit 23,5 Milliarden Nettotonnenkilometern. Staats- und Privatbahnen haben damit um knapp drei Prozent mehr Güter und Waren transportiert als im Jahr davor.

Besondere Steigerungen sind laut dem von Boston Consulting Group alle paar Jahre ermittelten European Railway Performance Index (RPI) nicht mehr zu erwarten. Im Gegenteil, BCG-Experten erwarten einen Abwärtstrend, insbesondere bei großen Netzwerken wie der Deutschen Bahn und der französischen. Ihr Aufwand steigt allein aufgrund der Komplexität in Erhaltung und Betrieb – getrieben von Neuerungen in Sicherheit und Servicequalität.

Unter den besten Eisenbahnen

Österreichs Bahn rangiert im RPI mit 6,1 Punkten (von 10 erreichbaren) in der Gruppe der besten Eisenbahnen. Errechnet wird der Index aus Intensität der Nutzung (Passagieraufkommen und Gütervolumen in Relation zur Bevölkerung), Servicequalität (Pünktlichkeit, Anteil an Hochgeschwindigkeitsstrecken, Fahrkartenpreise) und Sicherheit (Unfälle, Personenschäden in Relation zur Fahrleistung).

Bei der Intensität der Nutzung schaffte Österreichs Bahnsystem einen Spitzenplatz hinter der Schweiz – gleichauf mit Schweden und Deutschland. Bei der Servicequalität hingegen landete man mit 1,4 Punkten im Mittelfeld, bei der Sicherheit (1,7 von maximal 3,3 Punkten) weit hinter der Spitze.

Allerdings: So teuer kommt die öffentliche Hand die Bahn in keinem anderen europäischen Land. Österreich übertrumpft mit seinen verkehrswirtschaftlich fragwürdigen Bahntunnelbauten bei den Kosten pro Kopf der Bevölkerung sogar die Schweiz.

Spitzenreiter bei Kosten

Die großen Bahnländer Deutschland und Frankreich finden mit rund zwei Drittel der österreichischen Kosten das Auslangen. Allerdings bedienen sie die Fläche nicht mehr – Österreich subventioniert den Einzelwagenverkehr. Auch ein Effizienzproblem wird der Alpenrepublik attestiert. Die Gegenüberstellung von Leistungen und öffentlichen Kosten ergibt: Unterdurchschnittlichkeit. Spitzenreiter bei Effizienz ist Finnland, abgeschlagen folgen Frankreich und die Schweiz.

Über eines kann der hohe Anteil an Bahngüterverkehr, der von der Politik mit gutem Grund bejubelt wird, freilich nicht hinwegtäuschen: Es ist nicht in erster Linie der Schwerverkehr auf der Straße, der das Gros der 2016 rund 23 Millionen Tonnen an Treibhausgasemissionen verursacht, die im Verkehrssektor jährlich ausgestoßen werden.

Fast zwei Drittel davon kommen mit 14,6 Millionen Tonnen aus den Auspuffen von Pkws, Mofas, Autobussen und Motorrädern. Schwere und leichte Nutzfahrzeuge, also Groß- und Klein-Lkw hingegen produzierten 2016 rund 8,1 Mio. Tonnen Treibhausgase. Das ist eine negative Entwicklung, denn von 2005 bis 2016 war der THG-Ausstoß des Lkw-Verkehrs von 10,0 auf 7,8 Mio. Tonnen gesunken (Quelle: Umweltbundesamt), seit 2016 steigt er wieder.

Tendenz steigend

Die THG-Emissionen des Straßenpersonenverkehrs liegen seit 2005 unverändert über 14 Millionen Tonnen. Tendenz auch hier steigend (plus 4,4 Prozent im Jahr 2016).

Das liegt auch daran, dass sich das Aufkommen von Leichtverkehr (unter 3,5 Tonnen und Pkw) vom Wirtschaftswachstum nicht vollständig, aber doch entkoppelt hat. Es stieg 2017 laut Asfinag um 2,6 Prozent (nicht zu verwechseln mit den Vignettenerlösen, die um 4,2 Prozent stiegen).

Sauber ist die Bahn übrigens nicht immer: Ein kleiner Diesel-Regionalzug produziert mehr CO2 als drei Reisebusse. Um den Hauptluftverschmutzer Verkehr klimaschutztechnisch zu entschärfen, muss die Politik wohl an vielen Stellschrauben drehen – die Palette reicht von Tempolimits bis höhere Mineralölsteuer (nicht nur für Diesel, auch um Tanktourismus einzudämmen), Normverbrauchsabgabe, motorbezogene Versicherungssteuer. (Luise Ungerboeck, 6.10.2018)