Pseudo-Schockwellen dürften ausreichend Energie erzeugen, um das Plasma in der Sonnenatmosphäre aufzuheizen.

Foto: Nasa

Washington – Es ist eines der größten Rätsel der Sonnenforschung: Wie genau kommt es, dass die Sonnenkorona, also die äußere Hülle der Sonne, auf mehrere Millionen Grad Celsius aufgeheizt wird, während auf der Sonnenoberfläche selbst "nur" an die 6000 Grad herrschen?

Eine mögliche Lösung für dieses Paradoxon legt nun ein internationales Team vor, dem auch Forscher des Instituts für Weltraumforschung (IWF) in Graz angehören: Sogenannte "Pseudo-Schockwellen" in der Korona könnten für die Aufheizung des Plasmas in der oberen Sonnenatmosphäre sorgen.

Ungeklärter Mechanismus

Forscher haben vor längerem erkannt, dass die Temperatur in einer nur einige hundert Kilometer dünnen Schichte abrupt ansteigt. Um das dünne Gas in der Korona weiter aufzuheizen, wäre grundsätzlich nicht viel Energie erforderlich. Nach wie vor ist aber der Mechanismus unklar, der die Energie in die Korona hineinpumpt und verteilt.

Es wird vermutet, dass die dafür erforderliche Energie aus den dichten unteren Schichten entlang des Magnetfelds transportiert und in der Korona umgewandelt wird, wodurch sich dort das Plasma aufheizt. Der Prozess selbst wurde jedoch noch nicht beobachtet.

Mit dem 2013 auf den Weg geschickten Weltraumteleskop Iris haben Wissenschafter nun eine heiße Spur gefunden. Durch simultane Beobachtungen in unterschiedlichen Wellenlängen konnten sie dem Plasma der Sonne quasi bei der Arbeit zusehen. In der jüngsten Ausgabe von "Nature Astronomy" berichtet das internationale Team von Pseudo-Schocks in der Korona.

Diskontinuierlicher Vorgang

Konkret haben sie eine "allgegenwärtige Präsenz" dieser Schockwellen im Bereich der Sonnenflecken festgestellt. Anders als normale Schockwellen weisen Pseudo-Schocks Diskontinuitäten in der Massendichte und Temperatur auf, der Druck bleibt aber gleich.

Die Forscher gehen nun davon aus, dass durch diese Pseudo-Schocks in und rund um Sonnenflecken die Energie in die darüberliegende Korona transferiert und diese aufgeheizt wird. Die Pseudo-Schockwellen würden ausreichend Energie erzeugen können, um das Plasma in der Sonnenatmosphäre aufzuheizen: "Die beobachteten Pseudo-Schocks haben genügend Energie und Masse, um den Strahlungs- und Masseverlust zu kompensieren ", sagte IWF-Forscher Teimuraz Zaqarashvili, Co-Autor der Studie.

Forschung im Auftrieb

"Es ist uns gelungen, die beobachteten Pseudo-Schocks durch numerische Simulationen von teilweise ionisierten Plasmagleichungen zu reproduzieren, womit die Beobachtungen mit der Theorie völlig übereinstimmen", sagte Zaqarashvili. Er geht davon aus, dass die neuen Erkenntnisse auch zukünftige Modellrechnungen und Beobachtungen im Rahmen der Mission Solar Orbiter vorantreiben werden.

Im Rahmen dieser ESA-Mission, die im Jahr 2020 mit starker amerikanischer Beteiligung starten soll, wird die Sonne und die Heliosphäre aus dem Abstand von etwa 45 Sonnenradien unter die Lupe genommen. Das IWF wurde mit der Antennenkalibrierung beauftragt, baut den Bordcomputer für das Radiowelleninstrument (RPW) und ist Co-Investigator beim Magnetometer.

Die Sonnenforschung erlebt derzeit überhaupt eine heiße Phase: Erst im August startete mit der Parker Solar Probe eine Sonde, die in die Sonnenatmosphäre hineinfliegen soll. In Europa soll zudem bis 2025 der Bau des bisher größten Sonnenteleskops in Angriff genommen werden. (red, APA, 8.10.2018)