Von links nach rechts: Giuseppe Abbamonte (Europäische Kommission), Ingrid Brodnig (Journalistin), Thomas Myrup Kristensen (Facebook), Dario Nassal (The Buzzard).

Foto: BKA/Michael Gruber

Wien – Desinformation, Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz – damit haben sich die Teilnehmer des letzten Panels am Tag eins der EU-Konferenz "Challenging (the) Content" beschäftigt. Kritik musste Thomas Myrup Kristensen, Leiter des Brüssler Facebook-Büros und Managing Director für EU-Angelegenheiten, einstecken.

Die österreichische Journalistin Ingrid Brodnig warf Facebook vor, dass der Algorithmus emotionale Inhalte bevorzuge. Vor allem Posts, die negative Emotionen auslösen, sollen im Newsfeed höher gerankt werden. Der erfolgreichste Facebook-Beitrag im deutschsprachigen Raum soll im letzten Jahr etwa ein Artikel gewesen sein, wonach Flüchtlinge 700 Euro Weihnachtsgeld bekommen – eine glatte Falschmeldung.

Fake-News statt Babyfotos

Sie forderte, dass Facebook seine Algorithmen transparenter machen soll, um Wissenschaftlern Einblicke in die Funktionsweise geben zu können. "Wir haben schlechte Erfahrungen damit gemacht, Forschern Zugang zu Daten zu geben", sagte Kristensen und spielte damit auf den Cambridge-Analytica-Skandal an. Facebook-User stimmten mit der Nutzung einer App zu, dass ihre Daten zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt werden. Letztlich verwendete Cambridge Analytica die Daten aber für die Wahlkampfkampagne von Donald Trump.

Echten Forscherteams gewähre Facebook schon Zugriff zu den Daten, beteuerte Kristensen. Außerdem habe das soziale Netzwerk am Algorithmus geschraubt, um im Newsfeed mehr "bedeutsame soziale Interaktionen" und weniger Posts von Medien anzuzeigen. Brodnig, die sich seit Jahren mit Facebook auseinandersetzt, erinnert sich an ihre früheren Kolumnen zurück. Damals beschwerte, sie sich darüber, dass sie in ihrem Newsfeed nur Baby- und Hochzeitsfotos sehen würde. Jetzt würde sie sich freuen, wenn das größte Problem von Facebook zu viele Babyfotos seien.

Kristensen gibt zwar zu, Phänomene wie "Fake-News" zu spät erkannt zu haben, verteidigt den Algorithmus aber als essentiellen Bestandteil von Facebook. "Wir zeigen den Leuten, die Katzenfotos sehen wollen, Katzenfotos und jenen, die politisch interessiert sind, politische Nachrichten", sagte er. "Keine soll Katzenfotos bekommen, wenn er sie nicht will."

EU-Kommission plant Fact-Checking-Netzwerk

Giuseppe Abbamonte von der EU-Kommission ist Fake-News, insbesondere vor der im Frühjahr anstehenden EU-Wahl, ein "wichtiges Thema." Einer EU-weiten Regulierung von sozialen Netzwerken stehe jedoch das Subsidaritätsprinzip im Weg. Die Kommission habe aber einen freiwilligen Verhaltenskodex erarbeitet, den – unter anderem – auch Facebook unterschrieben habe. Für die EU-Wahl baut die Kommission gerade ein Netzwek von Faktencheckern auf. Persönlich würde sich Abbamonte wünschen, dass Medienkompetenz schon im sehr frühen Alter an gelehrt wird.

Einen anderen – algorithmenfreien – Zugang präsentierte der Dario Nassal. Das deutsche "The Buzzard" präsentiert zu kontroversen Fragen immer mehrere Standpunkte. Das Problem sei, dass viele Menschen "geframte News" konsumieren, also Artikel, bei denen eine bestimmte Sichtweise mitschwingt. Ob Menschen, die auf eine Seite wie "The Buzzard" nicht ohnehin schon sehr reflektiert sind? Das treffe vielleicht auf die "early adopters" zu, grundsätzlich wolle man aber alle Menschen erreichen. (pp, 8.10.2018)