Die SPÖ hat ihre Organisationsreform verschoben. Auf Wunsch der Wiener Partei, die von Anfang an gegen die von Christian Kern eingeleiteten Reformen war (etwa dass Funktionäre nach zehn Jahren nur mit Zweidrittelmehrheit weitermachen dürfen).

Die Hand des Wiener Bürgermeisters und Parteivorsitzenden Michael Ludwig ist da sichtbar, ebenso bei anderen Entscheidungen: die Installierung von Andreas Schieder, ein guter Politiker, aber nicht gerade ein Vote-Getter, als EU-Kandidat; die Entscheidung, zwischen den Wiener Linien und dem Fellner-Verlag Österreich einen Vergleich über die Aufstellung von Entnahmeboxen in U-Bahn-Stationen herbeizuführen. Was umgehend die Wut der anderen Boulevardblätter, nämlich "Heute" und "Krone", auf den Bürgermeister gerichtet hat. Der "Krone"-Kommentator Claus Pándi schrieb auf Twitter: "Eines von zwei Problemen hätte die SPÖ gelöst: Schieder wird EU-Spitzenkandidat. Aber wer wird jetzt Wiener Bürgermeisterkandidat?"

Das ist bei einem Blatt, das von der Stadt Wien und ihren Betrieben im ersten Halbjahr 2018 mit 1,2 Millionen an Inseratengeld gefördert wurde ("Heute" bekam auch 1,2 Millionen, "Österreich" 700.000), als warnendes Rasseln der Klapperschlange zu werten.

"Mutter aller Schlachten"

Der "Krone"-Journalist spielt damit aber auch auf die Unsicherheit an, die sich in Kreisen der Wiener SPÖ über den kommenden Wahlkampf in Wien (entweder schon 2019 oder termingerecht 2020) breitmacht. Das wird die "Mutter aller Schlachten", und davon hängt das weitere Schicksal der SPÖ insgesamt ab. Michael Ludwig, der wohl doch Spitzenkandidat der SPÖ sein wird, setzt auf einen "Holen wir unsere Wähler von der FPÖ zurück"-Kurs. Er lässt in Inseraten verkünden, dass länger in Wien ansässige Personen (das können auch "Ausländer" sein) bei der Vergabe von Wohnungen etc. bevorzugt würden. Er zeigt sich auf dem Neustifter Kirtag im Trachtenwams und stößt mit H.-C. Strache (in noch mehr Tracht) an. Beim Biervertilgungsimport "Wiener Wies'n" macht Michael Ludwig in Lederhosen und Lederschürze den Bieranstich. So viel Tracht war schon lange nicht in Österreichs Haupt- und Großstadt.

Ob das die FPÖ-Wähler zur Sozialdemokratie zurücktreibt, ist die Frage. Hier liegt die Herausforderung, einerseits der – unter anderem durch sozialdemokratische Politik aufgestiegenen – Mittelschicht, andererseits den Mindestsicherungsbeziehern gerecht zu werden.

Kann Wien an Türkis-Blau verlorengehen? Von den Umfragen her nicht, denn die Wiener ÖVP legt derzeit auf Kosten der Wiener FPÖ zu; eine Mehrheit ist da nicht drin. Außerdem dürften etliche Grün-Wähler zur SPÖ wechseln. Das Angebot der Neos, einen "unabhängigen" Bürgermeister gemeinsam mit Türkis-Blau zu wählen, erscheint nicht recht realistisch. Noch einmal eine solche Ansage, und die Neos sind die Hälfte ihrer Wähler los.

Aber andererseits ist Michael Ludwig noch nicht so richtig in die Gänge gekommen, und er hat bisher auch noch nicht wirklich ein umfassendes Konzept für Wien vorgelegt. (Hans Rauscher, 9.10.2018)