Durchschnittlich geben Studierende 289 Euro fürs Wohnen aus. Im neuen Martin-Buber-Haus zahlt man zwischen 450 und 530 Euro pro Monat.

Foto: Christian Fischer

Blaue Taschen schleppt auch der 20-jährige Niko. Das Studium in seiner Heimatstadt Klagenfurt reizte ihn nicht mehr – die Großstadt rief.

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Adriana packt so wie hundert andere neue Bewohner des Studierendenheims Martin-Buber-Haus ihre Koffer aus.

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"Wien bleibt Wien – und das geschieht ihm ganz recht", unkte der Schriftsteller Hans Weigel einmal – und irrte sich. Denn Wien blieb nicht Wien, nicht zuletzt dank seines studentischen Milieus: Jedes Jahr hauchen tausende neuankommende Studierende aus dem In- und Ausland der Stadt neues Leben ein. 165 davon wohnen seit diesem Semester im neu errichteten Martin-Buber-Haus im Sonnwendviertel rund um den Hauptbahnhof in Wien-Favoriten.

Nach 15 Monaten Bauzeit bietet Smartments Student 165 Einzelwohnungen zu je 19 Quadratmetern zwischen 450 und 530 Euro pro Monat an. 16 solcher Wohnhäuser werden bereits in Deutschland betrieben, in Österreich ist es das erste. Dahinter steht das deutsche Bauunternehmen GBI, das wiederum im Eigentum der gemeinnützigen Moses-Mendelsohn-Stiftung ist. Den Einzugstag vergangenes Wochenende nutzten rund 100 Erstbezieher. Das Wohnheim wurde rasch zum Treffpunkt blauer Ikea-Taschen.

Die Wohnungen im neuen Studierendenheim liegen preislich eher im oberen Kostenspektrum studentischer Bleiben. Durchschnittlich geben Studierende in Österreich 389 Euro fürs Wohnen aus. Das zeigt die Studierendensozialerhebung 2015. Am billigsten kommt man in Leoben aus: Hier zahlen Studierende durchschnittlich 304 Euro. Für Wiener Studierenden kostet die Bleibe hingegen am meisten: Sie liegen mit 402 Euro an Ausgaben über dem Österreichschnitt. Die günstigste Wohnform in der Bundeshauptstadt ist das Studierendenwohnheim mit durchschnittlich 327 Euro, am teuersten ist mit 458 Euro der Einzelhaushalt.

Ab in die Großstadt

Blaue Taschen schleppt auch der 20-jährige Niko. Das Geschichtsstudium in seiner Heimatstadt Klagenfurt reizte ihn nicht mehr, es war Zeit für einen Tapetenwechsel – die Großstadt rief. Seine WG-Pläne mit Freunden scheiterten am Finanziellen, und so musste er sich allein auf Wohnungssuche begeben. Weil die Wohnungen im Martin-Buber-Haus bereits möbliert sind, waren sie die einfachste Lösung. Niko griff zu und schleppt nun mit der Hilfe seiner Freunde keine Möbel, sondern Gewand und erste Lebensmittel die Treppen hoch.

Obwohl Wohnungen in einem Studierendenheim fix fertig zum Bezug einladen, sind sie unter Studierenden bei weitem nicht die beliebteste Wohnform. Nur neun Prozent aller Studierenden leben in einem Heim. Wobei die Beliebtheit mit dem Alter abnimmt: 20 Prozent sind es bei den unter 21-Jährigen, nur rund zwei Prozent bei den über 30-Jährigen.

Am beliebtesten hingegen bei allen ist die gemeinsame Wohnung mit dem Partner (28 Prozent): Bei den unter 21-Jährigen sind es nur sieben Prozent, bei über 30-Jährigen 57 Prozent. Am zweitbeliebtesten – 24 Prozent aller Studierenden – ist die WG. 20 Prozent wohnen bei den Eltern, 18 Prozent alleine.

Lange Anfahrt

Nicht nur mehr zu schleppen, sondern mit einer zwölfstündigen Anfahrt im Wohnmobil auch den deutlich längeren Weg hatte die aus der Nähe von Düsseldorf kommende Adriana. Nach ihrer abgeschlossenen Ausbildung als Köchin absolviert sie noch ein Studium zur Food-Designerin in St. Pölten. Dort zu leben kam für die 23-Jährige nicht infrage: "Dort ist ja nichts los. Ich möchte in Wien wohnen", sagt sie und erkundigt sich im selben Atemzug nach guten Techno-Clubs in der Stadt.

Mit ihren Eltern, die auch beim Umzug dabei sind, suchte Adriana in Wien Unterkünfte. "Eine WG hätte rund 400 Euro gekostet, hier zahle ich 100 Euro mehr, habe aber eine eigene Wohnung." Dazu kam die Nähe zum Hauptbahnhof, die das Pendeln nach Niederösterreich komfortabel gestaltet.

Wenige Wiener

Wer länger durch das noch von Baustellen umgebene Haus geht, bekommt den Eindruck, dass hier nur wenige Studierende aus Wien stammen. Das bestätigt Wolfgang Ludwig, Sprecher von Smartments Student: "Rund 50 Prozent der Bewohner sind aus dem Ausland, die meisten aus Deutschland." Die restlichen Studierenden verteilen sich auf alle Bundesländer, wobei jene, die schon zuvor in Wien gelebt haben, nur rund ein Dutzend ausmachen.

Gerade für zugezogene Studierende sind Wohnungen im Studierendenheim attraktiv. Wer noch niemanden in Wien kennt, sich eine WG mit Fremden nicht zutraut oder sich das Einkaufen und Schleppen von Möbeln sparen will, hat eine fertig eingerichtete Einzelwohnung. Soziale Kontakte kann man dank vorhandener Gemeinschafts- und Partyräume ebenfalls leicht knüpfen.

In Deutschland hat sich gezeigt, dass der durchschnittliche Student nach drei Semestern wieder auszieht. Ludwig führt das auf die gestiegene Mobilität der Studierenden im Bolognasystem zurück.

Ein Grund könnte auch sein, dass laut Sozialerhebung jeder fünfte Studierende mit der Höhe der Wohnkosten unzufrieden ist. Am unzufriedensten sind Studierende in Heimen (31 Prozent). (Jakob Sturn, 11.10.2018)