Zahlreiche Filme nehmen sich des Cyborg-Themas (hier: "Cyborg 3") an und zeigen eine Zukunft, in der Mensch und Maschine verschmelzen.

Foto: FM Entertainment

Limitierungen in der Kriegsführung sind oft Limitierungen des menschlichen Körpers. So jedenfalls die Ansicht des Pentagons. Dementsprechend interessiert zeigt man sich dort an Erfindungen, die uns mehr ermöglichen, als es unser biologisches Potenzial erlaubt. Dabei geht es längst nicht nur um Technologien, die sich nur für den Konfliktfall eignen. Das Gehirn verstehen zu lernen ist Grundlage für Entwicklungen wie Gedankensteuerung. Diese ermöglicht es körperlich eingeschränkten Menschen etwa, Computer oder Prothesen zu bedienen.

Das US-Militär will aber mehr. Die Kämpfer der Zukunft sollen Roboter Kraft ihrer Gedanken steuern. Man träumt aber von mehr. Die Verbindung von Mensch und Maschine soll den Weg zum "Supersoldaten" ebnen, berichtet The Atlantic in einer ausführlichen Reportage.

Kampf gegen Lähmung

Unsere Smartphones sind eigentlich gar nicht so smart, weil wir sie noch mit unserem Körper bedienen. Könnte man sie mit unserem Hirn verbinden, könnten sie auf unsere Ziele, Intentionen oder unsere Ärgernisse reagieren. So zitiert man Justin Sanchez bei einem Auftritt 2012 bei einem TED-Talk. Damals war er Professor für biomedizinische Technologien an der University of Miami und arbeitete an einem Projekt zur Überwindung von Querschnittlähmung mit.

Der TED-Talk von Justin Sanchez.
TEDx Talks

Seine Arbeit verstand er darin, den "neuralen Code" zu verstehen. Mit feinen Elektroden höre man der "Musik des Hirns" zu und versuche zu verstehen, welche Bewegungen er ausführen will. Langfristig gehe es darum, zu verstehen, wie das Hirn Verhalten kodiert. Irgendwann könne man neue Medizingeräte oder implantierbare Chips schaffen und er hoffe, am Ende seiner Karriere vielleicht noch jemandem so "aus dem Rollstuhl helfen" zu können. Denn niemand solle "von seinem Körper gefangen gehalten" werden.

Mensch trifft Maschine

Ein Jahr später begann Sanchez, bei der Defense Advanced Research Projects Agency (Darpa) zu arbeiten, die praktisch die Forschungsabteilung des Pentagons darstellt. Dort leitet er die Arbeiten an Erweiterungen für Menschen, gibt sich aber schmallippig, wenn er nach konkreten, technologischen Vorstößen.

Bei der Darpa träumt man aber schon länger davon Mensch und Maschine zu verschmelzen. Das Budget der Agentur soll bei drei Milliarden Dollar liegen. Seit 2014 gibt es eine Abteilung für Biotechnologie. Technologisches Neuland, das an Science Fiction erinnert, erschließt man aber schon seit Jahrzehnten. Schon während des Vietnamkrieges wollte man eine "kybernetische antropomorphe Maschine" bauen, die den Beinamen "mechanischer Elefant" trug.

Die Biotech-Division arbeitet an der "Wiederherstellung und Aufrechterhaltung von Kampffähigkeiten", auch mit Hilfe von Neurotechnologie. Man entwickelt etwa Elektronik, die in das Gehirn implantiert wird und helfen soll, die Gedächtnisleistung nach traumatischen Verletzungen wiederherzustellen.

Soldaten, die nicht schlafen müssen

Das Interesse an Biotechnologie war im US-Militär lange nicht besonders groß. Erst in den 1990ern stieg es sprunghaft an, als man biologische Waffen als potenzielle Bedrohung erkannte. 1997 rief die Darpa das Biological Systems-Programm ins Leben, schon damals mit dem Ziel, Maschinen und biologische Organismen zusammenzuführen.

"Soldaten ohne physiologische oder kognitive Grenzen werden der Schlüssel für das Überleben und die operative Überlegenheit in der Zukunft", beschrieb es Michael Goldblatt, der 1999 von der Forschungsabteilung von McDonald’s zur Darpa kam. Er rief eine Reihe von Programmen mit dramatisch klingenden Namen ins Leben: "Metabolic Dominance", "Augmented Cognition" oder etwa "Peak Soldier Performance". Eine Gruppe namens "Continuous Assisted Performance" wollte es ermöglichen, dass Soldaten künftig eine Woche lang ohne Schlaf auskommen könnten.

Blitzschnelles lernen per Chip-Implantat

2015 beschrieb ein aus dem Silicon Valley rekrutierter Mitarbeiter die Mission so, dass es darum gehe "den Geist von den Beschränkungen selbst eines gesunden Körpers" zu befreien. Es geht also längst nicht mehr nur darum, körperlich eingeschränkten Menschen zu helfen, sondern tatsächlich um "übermenschliche" Fähigkeiten.

Diese Schlagrichtung war schon vorher zu beobachten. 2012 zeigte man eine Frau namens Jan Scheuermann dabei, wie sie mithilfe einer per Gedanken gesteuerten Prothese Schokolade essen konnte. Anderthalb Jahre später flog sie bereits einen F-35-Kampfjet in einem Simulator nur mit ihrem Gehirn.

Mittlerweile ist man in allen Bereichen weiter und hat eine Armprothese entwickelt, die direkt mit dem Skelett verbunden ist. An der anderen Front experimentiert man mit der Übertragung von Wissen. In einem Experiment sandte man etwa die Gehirnsignale von Ratten, die eine komplexe Aufgabe zu meistern gelernt hatten, in das Hirn anderer, weniger trainierter Ratten – die danach ebenfalls die gestellte Herausforderung bewältigen konnten. Eine achtwöchige Lernphase war damit auf wenige Sekunden reduziert worden.

Künftig, so hofft man, könne man die "neuralen Codes für bestimmte Fertigkeiten" zwischen Menschen übertragen, hofft Sanchez. Das Experiment gilt als Basis für die Arbeit an einer Art "Gedankenprothese". Mittlerweile werden durch die Darpa Experimente dieser Art an Menschen an verschiedenen Universitäten finanziert.

Ethik und Akzeptanz

Das wirft freilich ethische Fragen auf, die bei der Darpa diskutiert werden. Wer entscheidet darüber, wie man so eine Technologie nutzt? Werden Soldaten gezwungen werden können, so etwas zu verwenden? Oder was passiert, wenn solch eine Technologie unsere moralische Wahrnehmung und das Urteilsvermögen beeinträchtigt? Bei der Darpa betont man jedenfalls, dass eigene Forschungen öffentlich dokumentiert werden und es eine Direktive gibt, die die Arbeit an so etwas wie einem "Supermenschen" verbieten würde.

Was mit solchen Technologien geschieht, hängt nach Ansicht von Sanchez weniger von der Politik und viel mehr vom Markt ab. Fortschritte würden auch auf Universitäten erzielt, die dann am Verkauf der Technologien verdienen oder Start-ups gründen würden. Ab dann seien die "Kräfte des Marktes" am Weg. Er geht davon aus, dass es den Firmen letztlich gelingen werde, Skepsis zu überwinden und Menschen zu überzeugen, dass sie mithilfe solcher Technologien "eine bessere Version ihrer selbst" werden können. (red, 11.10.2018)