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An der Wall Street ist nicht mehr allen Akteuren ganz wohl.

Foto: AP/Seth Wenig

Ewig kann keine Party dauern. Wenn schon zu lange zu ausgiebig gefeiert wurde, können bereits kleinere Störungen zum Stimmungstöter werden. Als Party-Crasherin an den Börsen entpuppte sich Mittwochabend Christine Lagarde. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds warnte bei der Jahrestagung des IWF in Bali vor einer Eskalation des Handelskonfliktes, die das weltweite Wachstum gefährden und Finanzmarktturbulenzen auslösen könnte.

Das waren keineswegs neue Töne, doch für viele Anleger reichten die Äußerungen in Kombination mit schlechten Nachrichten eines Chipherstellers, um sich vor Verlassen der Party warm anzuziehen – sprich: haufenweise Aktien aus ihren Depots zu schmeißen. Das ließ die Kurse ordentlich absacken. Vor allem Technologieaktien wie Amazon, Google oder Facebook wurden abverkauft, was Kurseinbrüche um die zehn Prozent zur Folge hatte.

Minus an New Yorker Techbörse

An der New Yorker Techbörse führte das zu einem Rückgang von gut vier Prozent und damit zum größten Minus seit mehr als zwei Jahren. In China erging es den dortigen Internetgiganten Alibaba, Tencent und Baidu nicht besser – ähnlich große Kursverluste wie bei den Rivalen an der Wall Street waren die Folge.

Beängstigend sind diese Entwicklungen vorerst nicht, in Europa und New York hellte die Stimmung wieder auf. Auch nach den jüngsten Abschlägen haben die Amazon-Kurse heuer um 50 Prozent, die von Netflix gar um 70 Prozent zugelegt. Schon deutlich im negativen Terrain bewegt sich hingegen Facebook, wobei hier ständig neue Datenaffären für Verkaufsdruck sorgen. Die Frage, die sich Anleger aber zusehends stellen, ist: Handelt es sich um eine kurze Korrekturphase, droht gar ein Crash, oder kehrt die Partystimmung zurück?

Run auf Staatsanleihen

Wenngleich niemand eine (fundierte) Antwort auf diese Frage geben kann, hat sich doch gezeigt, dass die Risiken an den Finanzmärkten deutlich gestiegen sind. Einerseits machen die steigenden Zinsen den Aktienkursen zu schaffen. Bei höheren Renditen auf Staatsanleihen sind diese Wertpapiere verhältnismäßig attraktiver und noch dazu weniger riskant, weshalb große Investoren ihre Veranlagungen umschichten. Die Verzinsung zehnjähriger US-Staatsanleihen hat ein Siebenjahreshoch von 3,25 Prozent erreicht. Die Notenbank Fed will überdies weiter an der Zinsschraube drehen, auch wenn US-Präsident Donald Trump das Vorhaben als "verrückt" bezeichnete. Schon bisher haben die Währungshüter die Seitenhiebe aus dem Weißen Haus weggesteckt.

Dass die Technologiewerte von steigenden Zinsen besonders betroffen sind, hängt mit teilweise erst langfristig erwarteten Cash-Rückflüssen an die Investoren zusammen, wie beispielsweise bei Amazon oder Netflix. Geldgeber legen ihren Kalkulationen einen Zinssatz zugrunde, der mit den zulegenden Renditen auf Staatsanleihen ebenfalls steigt. Künftige Ausschüttungen verlieren damit an kalkulatorischem Wert.

Explosives Umfeld

Andererseits ist das gesamte Umfeld derzeit ziemlich explosiv. Die Zinserhöhungen der Notenbanken – auch im Euroraum dürfte der Nullzins im kommenden Jahr Geschichte sein – sind zwar angesichts der steigenden Inflation mehr als gerechtfertigt. Allerdings kommen sie insofern zur Unzeit, als der Höhepunkt des Konjunkturzyklus bereits überschritten sein dürfte. Nun könnte der Abschwung von den Notenbanken beschleunigt werden.

Dazu kommen die Turbulenzen in den Schwellenländern, die eine Folge des Rückzugs von Geldgebern sind, die wegen der höheren Zinsen lieber wieder in Dollar-Papiere investieren. Der Kapitalabfluss aus Argentinien, der Türkei oder Indonesien hat die lokalen Währungen bereits ordentlich absacken lassen, wodurch sich wiederum die Fremdwährungsschulden erhöhen. Ironie der Geschichte: Es waren die Notenbanken mit ihrer ultralockeren Geldpolitik, die zum Verschieben von Billionen rund um den Erdball verleiteten, weil Anleger dort höhere Renditen erzielten. Diese sogenannten Carry-Trades haben sich laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in den letzten zehn Jahren um rund 50 Prozent auf 14 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung erhöht. So nebenbei wurde mit dem billigen Geld die Verschuldung massiv nach oben getrieben.

Schwellenländer-Exodus

Auch Aktienkurse und andere Vermögensklassen wie Immobilienpreise profitierten vom billigen Geld. Investoren in den Schwellenländern haben bereits zum Rückzug geblasen. Ob auch die Party an den Aktienmärkten vorüber ist? Klar ist nur, dass die hohen Kurse tief blicken lassen. Die Bewertung der Aktien liegt um rund die Hälfte über dem historischen Niveau. (Andreas Schnauder, 12.10.2018)