Brüssel – Männer und Frauen im Bus getrennt, Halal-Essen in der Schulkantine und Wahllisten möglichst ohne Frauen: So könnte Belgien aussehen, wenn es nach Redouane Ahrouch geht. Der Mitbegründer der Partei Islam in Belgien wünscht sich einen "100 Prozent reinen islamischen Staat wie zur Zeit unseres lieben Propheten Mohammed", wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Er ist überzeugt, dass schon 2030 hauptsächlich Muslime in Brüssel leben werden. Vor der Kommunalwahl am Sonntag haben derartige Aussagen für Aufsehen gesorgt. Das französische Magazin "Causeur" beschrieb die Parteiagenda so: "Ersetze alle Zivil- und Strafgesetzbücher durch die Scharia. Punkt." Die Parteispitze hingegen betont, der islamische Staat solle mit dem belgischen Gesetz konform sein.

Gemeinderat in Molenbeek

2012 zog die Partei erstmals in die Gemeinderäte der Brüsseler Stadtteile Anderlecht und Molenbeek ein – Letzterer gilt als Hochburg und Rückzugsort radikaler Islamisten. Dort wuchs auch der Terrorist Salah Abdeslam auf, der nach Ermittlungserkenntnissen an den Anschlägen von Paris beteiligt war, bei denen im November 2015 130 Menschen getötet wurden.

In Molenbeek und im Bezirk Brüssel-Stadt steht die Islam-Partei am Sonntag zur Wahl. Ahrouch selbst ist bisher Stadtrat in Anderlecht. Allerdings dürfte sich das in Kürze ändern. Denn ausgerechnet seine Liste wurde nicht zur Wahl zugelassen. Nach Angaben der Verwaltung von Anderlecht lagen nicht genügend gültige Unterschriften vor.

Als Busfahrer gekündigt

Ahrouch sieht sich hingegen als Opfer einer Intrige. "Ich habe alle Rechtsmittel eingelegt, um meinen Ausschluss in Anderlecht anzufechten", sagte er. Seiner Meinung nach müsste die Wahl in dem Bezirk für ungültig erklärt werden.

Doch auch außerhalb der Politik hat Ahrouch Gegenwind. Anfang Mai kündigte ihm sein Arbeitgeber, der Nahverkehrsbetrieb STIB/MIVB. "Natürlich respektieren wir die Redefreiheit, aber wir können die Ideen der Partei aus Gründen der Diskriminierung nicht akzeptieren", sagte eine Sprecherin des Betriebs.

"Der Kampf geht weiter"

Ein Vierteljahrhundert lang war Ahrouch Busfahrer. Als Reaktion auf seine Kündigung schrieb er auf Facebook, nun könne er seine gesamte Zeit der islamischen Befreiung seiner geliebten Bevölkerung widmen: "Der Kampf geht weiter."

So weit will es der rechtspopulistische Asylstaatssekretär Theo Francken nicht kommen lassen. Zur Idee, Männer und Frauen im Nahverkehr zu trennen, schrieb der Politiker der flämisch-nationalistischen N-VA auf Twitter: "Das ist nicht Europa, das ist Spucken auf Europa." Der Fraktionsvorsitzende der N-VA im Parlament, Peter De Roover, warnte zudem: "Die Einführung der Scharia bedeutet, dass es keine Debatten mehr gibt."

313 Mitglieder

Doch geht von der Partei wirklich eine Gefahr für den belgischen Staat aus? "Es ist offensichtlich, dass ihre Ideologie an eine Form von radikalem und fundamentalistischem Islam angelehnt ist", sagte Dave Sinardet, Politikprofessor an der Freien Universität Brüssel. Die Vorschläge verstoßen demnach gegen Rechte und Werte Belgiens.

Den Politologen wundert aber der plötzliche Rummel. "Die Partei ist plötzlich bekannt geworden, weil andere sich öffentlich gegen sie positioniert haben", sagte er. Sie sei aber vergleichsweise klein und erfolglos. Die Partei hat nach eigenen Angaben 313 Mitglieder. Sie einfach zu verbieten ist aus Sinardets Sicht ohnehin keine Option. "In der Vergangenheit wurde in Belgien nie ein Parteienverbot eingeführt."

"Wo wird das enden?"

Die belgische Frauenrechtlerin Darya Safai sieht die Islam-Partei äußerst skeptisch: "Es beginnt mit der Trennung von Mann und Frau im Bus, aber wo führt das hin? Wo wird das enden?" Als Aktivistin hat Safai im Iran gegen den Islamismus gekämpft. "Nach meiner Flucht aus dem Iran hätte ich nie gedacht, dass ich mich Jahre später in Europa erneut dagegen wehren müsste."

Die Partei wolle die Scharia in Belgien einführen, sagte sie. Das mache Frauen zu Bürgern zweiter Klasse. Redouane Ahrouch scheint das bereits verinnerlicht zu haben. Bei TV-Auftritten verweigerte er Darya Safai und der Staatssekretärin Zuhal Demir den Handschlag – während der Diskussion schaute er sie nicht einmal an. (APA, 12.10.2018)