Andreas Sator und Manfred Peyer trafen sich in einem Café in Wien-Ottakring.

Foto: Andreas Sator / DER STANDARD

Warum, frage ich etwas genervt, gibt es dann nur sieben Prozent Bürgermeisterinnen in Österreich? Wir sitzen schon eine gute Stunde im Café Ritter an der Ottakringer Straße in Wien, und bisher war unsere Diskussion sehr ruhig, vielleicht ein wenig zu ruhig. Seit wir aber über Feminismus reden, ist mein Puls gestiegen. Ich habe das Gefühl, Herr Peyer will mich nicht verstehen.

Wenn unsere Gesellschaft Frauen keine Steine in den Weg legt, wiederhole ich mich, warum gibt es dann de facto keine Bürgermeisterinnen? Es tut mir leid, aber da möchte ich Sie jetzt festnageln, sage ich.

Manfred Peyer, 68, ein Bürgerlicher, die Aktion "Österreich spricht" hat uns zusammengebracht, blickt mich fragend an und zuckt mit den Schultern. Ich weiß es nicht, sagt er. Ich glaube, ich schon, antworte ich und fange an zu erzählen.

Jungs sind nun mal Jungs

Ich komme selbst aus einer kleinen Gemeinde. Bekannte von mir haben einen Sohn und eine Tochter, beide noch nicht im Schulalter. Wenn das Mädchen zu laut ist, wird es sofort zurechtgewiesen. Der Bub aber darf schreien, bockig sein, denn Jungs sind nun mal Jungs. Auch ich bin so aufgewachsen, erzähle ich, und merke das an Freundinnen bis heute. Viele kämpfen damit, für ihre Meinung einzustehen, mein Mundwerk ist seit ich klein bin gut ausgeprägt.

Es ist kein Zufall, dass fast alle Machtpositionen in der Hand von Männern sind, sage ich. Vieles in unserer Gesellschaft, die Schulen, die Firmen, unsere Erwartungen, was okay ist und was nicht, wirkt darauf hin, Frauen klein zu halten.

Herr Peyer, er ist groß gewachsen, trägt ein braunes Sakko und ein braun-weißes Karohemd, richtet sich die Brille und schüttelt den Kopf. Dass Männer einmal Klartext sprechen, hätte ich gerne, sagt er. Viel zu oft würden sie klein beigeben.

Man kann mit Frauen Dinge nicht so gut ausmachen

Dann beginnt er eine Geschichte zu erzählen, so wie er das schon ein paar Mal getan hat. Er ist fast dreimal so alt wie ich und wird auch in etwa um so viel mehr reden, am Ende bedankt er sich für meine Geduld. Er hat in vielen Betrieben gearbeitet, sagt er, eine Lehre als Großhandelskaufmann absolviert, war unter anderem im EDV-Bereich tätig.

Eine Frau hat er ein einziges Mal als Chefin gehabt, die sei toll gewesen, sagt er. Aber unter dem Strich kann man sich mit Frauen Dinge nicht so gut ausmachen. Bei Frauen heißt es immer Ja oder Nein, sagt er. Mit Männern kann man anders reden. Dann blickt er mich an, Herr Peyer zweifelt nicht an dem, was er sagt, er hat viel erlebt und ist sich seiner Sache sicher. Ob das nachvollziehbar ist, fragt er mich. Ich glaube, er sieht mich als genauso hoffnungslosen Fall wie ich ihn.

Ich schüttle mit dem Kopf. Nein, sage ich, aber Sie haben da offenbar einfach andere Erfahrungen. Ich versuche es emotional. Ich würde gerne in einem Land leben, in dem Frauen genauso große Chancen haben, Bürgermeisterin zu werden oder Managerin oder Politikerin.

Damit hätte ich kein Problem, sagt er und weicht mir aus. Das ärgert mich. Würden Sie nicht auch gerne in so einem Land leben, frage ich noch einmal und dann noch einmal. Seine Antwort ist die gleiche, es wäre kein Problem. Aber kein Wunsch? Ich denke mir, das ergibt keinen Sinn, und er fragt sich wohl, ob ich ihm nicht gut zugehört habe.

Ich fühlte mich verstanden

Ein einziges Mal habe ich das Gespräch an mich gerissen, ein einziges Mal hatte ich das Gefühl, das saß jetzt, und Herr Peyer musste schlucken. Gerade hatte er aufgezählt, was für einen Haufen an Problemen es in Österreich mit der Integration gibt. Ich stimmte zu, aber erstens ist das alles lösbar, wenn wir wollen, und zweitens, um Himmels willen, wir reden schon wieder nur über dieses eine Thema, so als gäbe es keine Klimakrise, keine Schulen, die so viele Kinder im Stich lassen, keine Armut und keine Arbeitslosen.

Herr Peyer war kurz still, so lange wie sonst nie, er nickte. Ich fühlte mich verstanden, auch wenn er kurze Zeit später wieder über den Islam zu sprechen begann.

Zweieinhalb Stunden sitzen wir am Ende im Café, dann muss Herr Peyer los. Am Ende wird keiner von uns seine Meinung geändert haben, aber wir haben uns zugehört und einander ausreden lassen, vielleicht denken wir noch einmal darüber nach und verstehen besser, warum uns der andere nicht versteht. In einer Zeit, in der wir jeden Tag eine andere Sau durchs Internet treiben, ist das ja schon fast eine revolutionärer Akt. Danke, Herr Peyer. (Andreas Sator, 14.10.2018)