Heinz Fischer galt zeit seines politischen Lebens als Verkörperung des übervorsichtigen, die Worte bis zur Unwirklichkeit abwägenden Verfassungsjuristen, der seine Erfüllung im Amt des Bundespräsidenten als eine Art "Staatsnotar" gefunden hat.

Da ist ein bisschen was dran, aber in großen Fragen scheut Fischer nicht vorsichtige, aber deutliche Kritik. Als die rot-schwarze Regierung vor einigen Jahren in einem Anfall von Populismus (und mit der Unterstützung sowohl von FPÖ wie Grünen) automatisierte Volksabstimmungen (ab einer bestimmten Zahl von Unterschriften) einführen wollte, legte er sich quer.

Die türkis-blaue Koalition will das jetzt ab 2022 doch einführen (wenn auch mit wesentlich mehr Unterschriften – 900.000). Fischers Argumente dagegen sind die gleichen wie vor Jahren: "Für sehr problematisch würde ich es halten, wenn ein von einer Lobby oder einer Zeitung formulierter Gesetzestext, falls er eine bestimmte Zahl von Unterschriften erreicht, de facto zu einem Text wird, an dem der Nationalrat nichts mehr ändern kann, auch wenn er sehr änderungsbedürftig ist und ganz wichtige Argumente unberücksichtigt lässt. Und darüber soll zwingend eine Volksabstimmung gemacht werden? Dazu soll man nur mehr Ja oder Nein sagen können? Dem liegt ein Missverständnis über das Wesen der parlamentarischen Demokratie zugrunde. Und es hat gute Gründe, warum diese Spielart der direkten Demokratie in keinem EU-Staat existiert."

Anekdoten und Erinnerungen

Das Zitat stammt aus dem Gesprächsband, den der renommierte Journalist Herbert Lackner zu Fischers 80. Geburtstag erarbeitet hat (Heinz Fischer. Spaziergang durch die Jahrzehnte, erschienen im Ecowin-Verlag). Der Band enthält Erinnerungen aus der Zeit, als die Sozialdemokratie noch eine aufstrebende, dominierende Kraft war, aber auch aufschlussreiche Anekdoten (wie etwa, als der verstorbene Herausgeber der Krone, Hans Dichand, 2010 sagte, wenn Fischer sich gegen die Ratifizierung der "EU-Verfassung" (Lissabon-Vertrag) ausspreche, müsse er sich "für den Wahlkampf keine Sorgen machen …").

Fischer kritisiert auch den aktuellen Bundeskanzler Sebastian Kurz: "Die Art, wie er die Sozialpartnerschaft zu schwächen und beiseitezudrängen versucht, heißt, dass wichtige Lehren aus unserer Geschichte in den Wind geschlagen werden. Damit wird einer der großen Standortvorteile Österreichs – soziale Stabilität, soziale Ausgewogenheit und die Bereitschaft zum Kompromiss – aufs Spiel gesetzt."

Zur Sozialdemokratie und ihren Zukunftsaussichten meint Fischer, "eine Bewegung, die sich der Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit, einer offenen Gesellschaft und nicht einem nationalistischen und egoistischen Europa widmet", habe gute Karten. "Ein Programm, in dessen Mittelpunkt der ‚Kampf‘ gegen Flüchtlinge steht, erscheint mir auf die Dauer zu wenig."

Und: Wenn man alle, die sich um Flüchtlinge kümmern, als "Gutmenschen" bezeichne, dann "bin ich lieber ein Gutmensch als ein ‚Schlechtmensch‘", sagt Fischer. (Hans Rauscher, 12.10.2018)