New York City, bekannt für die Skyline der glitzernden Hochhäuser, Broadwayshows und Filmkulissen, ist eine Stadt der großen gesellschaftlichen Gegensätze und die Unterschiede zwischen reich und arm prallen auf engstem Raum aufeinander. Eine kurze Fahrt mit der U-Bahn befördert Passagiere in Gebiete, in denen Armut überall sichtbar ist: Geschäfte sind geschlossen und verbarrikadiert, Jugendliche und Erwachsene sitzen untätig herum und die Kopfbedeckungen von Bandenmitgliedern sind häufig sichtbar. Auch innerhalb der U-Bahnzüge mischt sich die Stadt, elegante Anzugträger sitzen neben schlafenden Obdachlosen. In wohlhabenden Gegenden schlafen Leute auf Gehsteigen, durchwühlen Mülleimer nach essbaren Abfällen oder bitten um Geld. Unterkünfte für arme Stadtbewohner befinden sich direkt neben den modernsten Hochhäusern. Hier sieht man eine solche "Low-Income-Unterkunft" direkt neben der Metropolitan Opera:  

Foto: Stella Schuhmacher
Low-income-housing in New York.
Foto: Stella Schuhmacher

Zwei Welten

Statistische Analysen bestätigen das Bild der gegensätzlichen Welten innerhalb der Stadtgrenzen. Besonders schockierend sind die Zahlen, die die Situation von Kindern in der Stadt erfassen, wie zum Beispiel Kinderarmut oder Kindersterblichkeit. Die Organisation "Citizens‘ Committee for Children" sammelt und analysiert die zur Verfügung stehenden Daten in "Keeping Track of New York City’s Children". Die unten angeführten Zahlen stammen aus dieser Datenbank.

Unter den 1,8 Millionen Kindern im New Yorker Stadtgebiet lebt eines von vier in Armut (definiert als Jahreseinkommen von weniger als 24.858 US-Dollar für einen vierköpfigen Haushalt), davon sind 30 Prozent jünger als fünf Jahre alt. Latinokinder sind am häufigsten von Armut betroffen (38 Prozent), gefolgt von schwarzhäutigen Kindern. Nach einem Höhepunkt während der vergangenen Rezession kann hier ein leichter Abwärtstrend beobachtet werden.

In den folgenden Grafiken werden zwei unmittelbar aneinander angrenzende Nachbarschaften in Manhattan miteinander verglichen: die Upper East Side und East Harlem. Das durchschnittliche Familieneinkommen für einen Haushalt mit Kindern beträgt auf der Upper East Side 226.321 US-Dollar, in East Harlem 28.491 US-Dollar. Die in den Grafiken verwendeten Indikatoren sind Kinderarmut, Beschäftigungsinstabilität der Eltern, Kindersterblichkeitsrate (für Kinder, die jünger als ein Jahr alt sind), und Geburtenrate von Jugendlichen (Zahl der Geburten von 15- bis 19-jährigen Mädchen).

Vergleich Kinderarmut und Beschäftigungsinstabilität der Eltern
Grafik: Citizens' Committee for Children
Vergleich Kindersterblichkeitsrate und Geburtenrate von Jugendlichen
Grafik: Citizens' Committee for Children

Unzureichende Unterstützungsprogramme

"While we know that nearly 500,000 New York City children are residing in households below the federal poverty line, we also know that lack of income isn’t the only barrier to their wellbeing. Far too many children reside in households that are overcrowded and in bad repair and in communities where transportation options needed to get to school or work are infrequent or poorly functioning. Children in these communities are also less likely to be enrolled in or have access to early education and their communities’ schools are profoundly under resourced. The cumulative impact of the clustering of these risk factors results in harmful short and long-term outcomes for children", sagt Jennifer March, Executive Director des Citizens’ Committee for Children.

Die Hilfsprogramme, die von der Stadt oder Non-Profit-Organisationen zur Verfügung gestellt werden, reichen bei Weitem nicht aus, den Bedarf zu decken. Sowohl im Gesundheitsbereich, als auch bei Ernährungsprogrammen, kindlicher Früherziehung, gefördertem Wohnen oder speziellen Hilfsangeboten für neue Einwanderer wird nur ein Bruchteil von dem angeboten, was gebraucht werden würde.

500.000 New Yorker Kinder und Jugendliche leben in ärmlichen Verhältnissen.
Foto:istockphoto.com/at/portfolio/ericsphotography
Armut sieht man im Big Apple an jeder Ecke.
Foto: Stella Schuhmacher

Hohe Kinderarmut und Kindersterblichkeit im ganzen Land

Auch im Rest der Vereinigten Staaten sind Kinderarmut, Kindersterblichkeit und gesellschaftliche Ungleichheit sehr hoch und das Land rangiert in vielen Bereichen als Schlusslicht der industrialisierten Staaten. Im Juni dieses Jahres präsentierte der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für extreme Armut und Menschenrechte, Philip Alston, seinen Bericht zur Situation in den USA vor dem UN Human Rights Council in Genf. Wenige Tage vor der Präsentation dieses Berichts traten die Amerikaner aus dem Menschenrechtsrat aus, unter anderem aus Protest gegen diesen Bericht.

Die Daten, die Alston vorlegt, sind erschreckend: Fast ein Fünftel der amerikanischen Kinder lebt in Armut, viele darunter sind auch von Obdachlosigkeit betroffen. Die Kindersterblichkeitsrate in den USA war im Jahr 2013 die höchste in der entwickelten Welt. Ob bei Zugang zu Trinkwasser- und Sanitärversorgung, Armutsrate unter Jugendlichen, oder allgemeiner Armut und sozialer Ungleichheit, die USA liegen im OECD-Vergleich auf den hintersten Plätzen (Platz 35 von 37). Gleichzeitig geben die USA laut Alston mehr für nationale Verteidigung aus als China, Saudi-Arabien, Russland, Großbritannien, Indien, Frankreich und Japan zusammen.

"The United States is one of the world’s richest, most powerful and technologically innovative countries; but neither its wealth nor its power nor its technology is being harnessed to address the situation in which 40 million people continue to live in poverty….but instead of realizing its founders’ admirable commitments, today’s United States has proved itself to be exceptional in far more problematic ways that are shockingly at odds with its immense wealth and its founding commitment to human rights. As a result, contrasts between private wealth and public squalor abound", schreibt Alston.

An diesen traurigen Tatsachen wird sich voraussichtlich in Anbetracht der letzten Steuer- und Budgetpläne nicht viel ändern. Viele soziale Programme, die Familien und Kinder am unteren Ende der Gesellschaft unterstützen, werden gekürzt oder eingestellt. (Stella Schuhmacher, 22.10.2018)