Anfang September richteten sich die Augen der Weltöffentlichkeit auf Idlib: Eine bevorstehende Offensive des Assad-Regimes und seiner Unterstützer auf die von Rebellen und Jihadisten gehaltene syrische Stadt und Provinz drohte eine neue humanitäre Katastrophe auszulösen. Fast im letzten Moment kam eine türkisch-russische Einigung zustande, einen entmilitarisierten Gürtel um Idlib einzurichten, was die Rebellenangriffe stoppen und die Offensive unnötig machen sollte.

Die Bilanz am Stichtag 15. Oktober fällt vorsichtig positiv bis durchmischt aus: Das Zusammenspiel der Assad-Unterstützer in Moskau und der Assad-Gegner in Ankara hat in einer ersten Phase funktioniert, die schweren Waffen wurden aus der Zone abgezogen. Der Türkei ist es insofern gelungen, ihren Einfluss auf die Rebellen geltend zu machen; von den Jihadisten der ehemaligen Nusra-Front (heute Komitee zur Befreiung der Levante, HTS) kam zumindest dagegen kein offener Widerstand. Parallel zum Abzug der schweren Waffen der Rebellen aus der Pufferzone verstärkt die türkische und die russische Armee ihre Präsenz, um in ihren jeweiligen Bereichen zu patrouillieren.

Schwieriger ist es mit dem Abzug der Rebellen und der Jihadisten selbst. Aber eigentlich hatte kaum jemand erwartet, dass die Vereinbarung, die von den Präsidenten Wladimir Putin und Tayyip Erdogan Mitte September in Sotschi geschlossen wurde, innerhalb eines Monats lückenlos umgesetzt werden wird. Noch werden die Russen wohl abwarten und den Türken mehr Zeit geben.

Die Frage ist aber nun, wie lange das Arrangement, wenn es umgesetzt ist, überhaupt hält: Ist es ein erster Schritt zur baldigen Reintegration Idlibs in das Syrien Bashar al-Assads – wie er selbst das sieht –, oder der Beginn der Zementierung einer Spaltung Syriens entlang der Einflusszonen äußerer Akteure? Die Türkei hat keine Absicht, bald wieder aus Syrien abzuziehen, genauso wenig wie Russland, Iran und, nicht zu vergessen, auch die USA. (Gudrun Harrer, 14.10.2018)